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Pflege

Wenn Fachkräfte nicht bis zur Rente durchhalten



Auf bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege dringt der Landesgeschäftsführer der Barmer Krankenkasse in Baden-Württemberg, Winfried Plötze. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) äußert sich Plötze besorgt über die überdurchschnittlichen Ausfälle von Mitarbeitern durch Krankheit oder Frühverrentung. Es müssten unbedingt mehr Menschen für den Pflegeberuf gewonnen und länger als heute auch im Beruf gehalten werden, sagte er.

Laut dem Barmer-Pflegereport waren im Südwesten in den Jahren 2016 bis 2018 durchschnittlich 7,7 Prozent der Hilfskräfte und 6,3 Prozent der Fachkräfte in der Altenpflege krankgeschrieben. Im Landesdurchschnitt aller Berufgsgruppen lag die Krankenquote nur bei 4,2 Prozent. Ähnlich die Beobachtung bei der Frühverrentung: Von 1.000 Fachkräften in der Altenpflege gingen 3,9 vorzeitig in den Ruhestand - der Durchschnitt aller Berufsgruppen lag bei 2,3. "Offenbar ist der Pflegeberuf so kraftraubend, dass viele nicht bis zur Rente durchhalten", heißt es in dem Report.

Höhere Bezahlung gefordert

Barmer-Chef Plötze wirbt für eine bessere Entlohnung der Mitarbeiter in der Pflege. "Gute Pflege muss gut bezahlt werden", sagte er. Für die Pflegenden sollten einheitliche Tarifverträge gelten, um ein Mindestniveau der Bezahlung zu gewährleisten. Dafür müssten allerdings manche private Anbieter erst gewonnen werden.

Die Finanzierung höherer Löhne in der Pflege hält Plötze für möglich. Die Sozialkassen stünden zwar unter enormem Druck, doch dürfe die Corona-Krise eine bessere Entlohnung nicht verhindern. Einsparpotenzial sieht der Landesgeschäftsführer dagegen bei unnötigen Doppeluntersuchungen von Patienten - "dafür schmeißen wir viel Geld raus."

Pflegekräften mehr Eigenverantwortung geben

Häufige Krankenhausaufenthalte von Heimbewohnern könnten nach Plötzes Einschätzung eingedämmt werden, wenn das Pflegepersonal wie in anderen Ländern mehr eigenverantwortlich tun dürfte - etwa das Setzen von Spritzen oder das Versorgen von Wunden. Momentan müsse vielerorts dazu immer ein Arzt herbeigerufen werden oder der Patient in die Klinik eingewiesen werden.

Das Problem könnte sich in den nächsten Jahren aufgrund der Demografie verschärfen, weil künftig voraussichtlich weniger Ärzte zur Verfügung stünden, befürchtet der Kassen-Chef.

Positiv sieht Plötze, dass 93 Prozent der Mitarbeiter in der Pflege ihren Job als sinnvoll betrachten. Von den Beschäftigten in anderen Berufen sagten das nur 67 Prozent. Nun komme es darauf an, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und beispielsweise dafür zu sorgen, dass die Zahl der Patienten pro Pflegekraft gesenkt wird. Sinnvoll sind seiner Meinung nach auch mehr Angebote, die die persönliche Resilienz der Mitarbeiter fördern.

Marcus Mockler


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