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Corona

Pflegeeinrichtungen beklagen Lücken im verlängerten Schutzschirm




Pflegerin schiebt Heimbewohner im Rollstuhl zurück ins Zimmer
epd-bild/Jürgen Blume
Pflegeheime sollen künftig nicht mehr alle finanziellen Einbußen durch Corona ersetzt bekommen. Das sieht ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor. Die Verbände fordern Korrekturen, andernfalls sei bei der anhaltenden Pandemie die Existenz vieler Heime bedroht.

Pflege- und Sozialverbände warnen davor, mit einer Gesetzesreform die wirtschaftliche Lage der Pflegeeinrichtungen in Zeiten von Corona zu gefährden. Die Bundespflegekammer wies am 12. Februar darauf hin, der von der Koalition vorgelegte Gesetzentwurf zur "Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite" bedrohe die Existenz vieler Träger. Die Kammer sprach sich zum Tag der ersten Lesung im Bundestag dafür aus, die enthaltenen Einschränkungen bei der Verlängerung des Schutzschirmes zurückzunehmen.

Nach den bisherigen Regelungen aus dem März 2020 sowie durch das Infektionsschutzgesetz aus dem November 2020 wären diese am 31. März ausgelaufen. Nun sollen die Regelungen jeweils für drei Monate durch den Bundestag verlängert werden. Demnach sollen nicht mehr alle Corona-bedingten Mindereinnahmen ausgeglichen werden, sondern Geld gibt es nur noch dann, wenn diese direkt aus einer behördlichen Auflage oder einer Landesregelung resultiert. Doch Anordungen der Behörden, so vermuten die Fachleute, werden wegen des zurückgehenden Infektionsgeschehens sinken - aber die stark eingeschränkte Auslastung werde auf Wochen oder Monate bleiben.

Hilfe dringend weiter nötig

Der Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW), Ulrich Lilie, sagte am 11. Februar, die Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege seien dringend auf die weitere Unterstützung der staatlichen Rettungsschirme angewiesen. Durch die jetzt geplanten Neuregelungen würde die Finanzierung vieler Pflegeheime gefährdet, weil Mindereinnahmen nur noch aufgrund von behördlichen Anordnungen oder landesrechtlichen Verordnungen geltend gemacht werden könnten. "Damit stellt der Gesetzentwurf in der jetzigen Form die Existenz der am härtesten durch Corona- Ausbrüche getroffenen Pflegeheime infrage."

Außerdem reiche eine Verlängerung der Sonderregelungen im um drei Monate über den 31. März hinaus bei weitem nicht aus. Lilie: "Der Schutzschirm für die Pflege muss die Finanzierung der Einrichtungen mindestens bis zum Jahresende gewährleisten."

Fristen sollten bis Dezember verlängert werden

Gleiches gelte für das Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG). "Denn bisher ist in keiner Weise absehbar, wie sich die Pandemie im Laufe des Jahres entwickelt und ob wir im Herbst 2021 wieder in die frühere Normalität zurückkommen", kritisierte der Verbandschef. Als Auffanghilfe für die sozialen Dienstleister habe sich das Gesetz bewährt. "Es wäre fatal, dieses wichtige Instrument jetzt zu früh aus der Hand zu legen. Eine Verlängerung bis zum Jahresende ist auch hier die einzige vernünftige Lösung." Der Bundestag müsse die Fristen in den Gesetzentwürfen "dringend an die Realität anzupassen, um schwere Schäden von der sozialen Infrastruktur abzuwenden."

Auch der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) forderte Nachbesserungen am Gesetz. "Bisher konnten die Pflegeeinrichtungen sich voll und ganz auf Pflege, Betreuung und Infektionsschutz unter erschwerten Bedingungen konzentrieren, ohne auch noch Angst vor der wirtschaftlichen Katastrophe haben zu müssen", so Präsident Bernd Meurer. Der von der Bundesregierung beschlossene Gesetzentwurf zur "Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen" siehe jedoch deutliche Änderungen vor. "Statt die dringend notwendige Sicherung der unverzichtbaren pflegerischen Infrastruktur soll sie ab dem 1. April hohen und nicht refinanzierbaren Risiken ausgesetzt werden." Es drohe die Gefahr, dass dann keine Unterstützung aus dem Rettungsschirm Pflege mehr in Anspruch genommen werden könne.

Leerstände von bis zu 30 Prozent

Meurer verwies auf Pandemie-bedingte Leerstände in den Einrichtungen von bis zu 30 Prozent. Selbst die jüngsten Berichte über Infektionen auch bei erfolgter Impfung hätten nicht dazu geführt, dass der Rettungsschirm Pflege unverändert über den März hinaus verlängert werden soll.

"Viele Pflegeeinrichtungen müssen schon jetzt deutliche Verluste unverschuldet in Kauf nehmen, weil diese im Rettungsschirm nicht berücksichtigt wurden. Für Ausfälle bei den Investitionskosten gab es nie einen Ersatz", so Meurer weiter. Wenn jetzt die Unterstützung nur noch für Folgen behördlicher Anordnungen gewährt werden soll, werde dringend benötigte pflegerische Infrastruktur in ihrer Existenz bedroht. Ausgerechnet Pflegeeinrichtungen dürfen nicht wirtschaftlich den Folgen der Pandemie zum Opfer fallen.

"Regelungen streichen"

Patricia Drube, Präsidiumsmitglied der Bundespflegekammer sowie Präsidentin der Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein: "Wir fordern, diese Regelung zu streichen und weisen darauf hin, dass auch weiterhin Mindereinnahmen entstehen, wenn beispielsweise eine (Teil)Schließung von Einrichtungen oder Teilen von Einrichtungen vom Gesundheitsamt aufgehoben werden". Denn die Belegung könne allenfalls schrittweise wieder normalisiert werden. Auch Mindereinnahmen, die darauf zurückzuführen seien, dass Personalausfälle - Corona-bedingt oder wegen der seit einem Jahr dauerhaft hohen Belastungssituation - gesteuert werden müssen, führten zu Mindereinnahmen. Das müsse weiter vom Fiskus ausgeglichen werden Nach anfänglichem Applaus drohe nun den Pflegeeinrichtungen der wirtschaftliche Ruin.

Der Deutsche Evangelische Verband für Altenarbeit und Pflege (DEVAP) ging ebenfalls auf Distanz zu den Plänen. "Bisher fühlten sich unsere Einrichtungen durch den bestehenden Schutzschirm für die Pflege weitestgehend gut unterstützt", sagte Vorsitzender Wilfried Wesemann: "Nun fürchten unsere Einrichtungen, sollten die geplanten Regelungen so umgesetzt werden, um ihre Existenz."

Es scheine, als hätte die Bundesregierung genau da, wo der Schutz am dringendsten gewährleistet sein muss, vergessen, dass die Pandemie noch nicht vorbei sei, kritisierte Wesemann. "Während der Lockdown immer weiter verlängert wird, sollen die Pflegeeinrichtungen, um finanziell bestehen zu können, zum Normalbetrieb zurückkehren. Das ist im höchsten Maße widersprüchlich."

Normalität ist auf Monate nicht in Sicht

An eine Normalität ist aus Sicht des DEVAP in den kommenden Wochen und Monaten nicht zu denken. Wie sich die pandemische Lage entwickele, sei noch viel zu unsicher, die Nachfrage nach Pflegeplätzen aufgrund von Ängsten und finanziellen Engpässen durch Kurzarbeit der Angehörigen stark zurückgegangen. Die Rückkehr zu einer normalen Auslastung werde noch lange dauern.

"Sollte der Gesetzentwurf so umgesetzt werden, wäre das für unsere Pflegeheime eine Hiobsbotschaft", sagte Matthias Ewelt, Vorstand von Stadtmission Nürnberg und Diakonie Erlangen. Bisher könnten durch den bestehenden Rettungsschirm immerhin ein Großteil der finanziellen Folgen der Pandemie in den Pflegeeinrichtungen aufgefangen werden. Und dennoch bleibe die Belastung enorm: "Schon bisher verbleibt auch beim Träger ein Teil der finanziellen Lasten aus der Pandemie. Die Personaldecken sind seit jeher dünn. Nicht nur mit Blick auf immer wieder auftretende Quarantänefälle ebenso wie die kontinuierlich notwendigen und gleichzeitig aufwändigen Test- und Hygienemaßnahmen brauchen wir auch künftig jeden Mitarbeiter und dafür ausreichend Geld im System."

Dirk Baas


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