Kaltenkirchen (epd). Kirsten Meyer-Memitzidis kennt jeden Arbeitsschritt ganz genau: Erst werden die Fläschchen mit dem Biontech-Impfstoff aus dem Kühlschrank genommen, dann müssen sie eine halbe Stunde in Ruhe auftauen. Dann schwenkt sie jedes Fläschchen, genau zehnmal, fügt 1,8 Milliliter Natriumchlorid hinzu - und schwenkt es wieder zehnmal. Dann zieht sie die Spritzen auf, sechs Stück pro Ampulle. Es sind einfache Schritte, aber sehr verantwortungsvolle - denn wenn die 55-Jährige einen Fehler macht, ist der Impfstoff nicht mehr zu gebrauchen. "Ich mache das so sensibel wie möglich. Ich habe sogar schon davon geträumt, wie ich Impfdosen aufgezogen habe."
Kirsten Meyer-Memitzidis arbeitet als Medizinische Fachangestellte im Impfzentrum Kaltenkirchen in Schleswig-Holstein. Der Ort liegt etwas nördlich der Hamburger Stadtgrenze. In einer leerstehenden, ehemaligen Produktionshalle für Kühlaggregate hat man hier Anfang Januar eines von mehr als 400 Impfzentren in Deutschland eröffnet. Seitdem geht es hier, wie überall im Land, darum, möglichst schnell viele Menschen gegen Covid-19 zu impfen - und es geht um fehlenden Impfstoff.
Heute ist hier Zweitimpftag. "Jeder, der kommt, war also schon mal hier und kennt sich aus. Deswegen gehen wir davon aus, dass es recht schnell geht", sagt Tabea Ketzner, Impfzentrenkoordinatorin beim Landkreis. Es gibt ein festgeschriebenes Prozedere: Wer kommt, muss durch eine Art Rundkurs, er beginnt mit der Anmeldung und Fiebermessen am Eingang, das erledigen mehrere Bundeswehrsoldaten. Anschließend geht es in einen Warteraum, dort läuft ein Info-Film.
Wenn sie dran sind, werden die Impflinge auf fünf sogenannte Impflinien verteilt, dort heißt es wieder: warten, bis einen ein Arzt zum Vorgespräch abholt. Dafür gibt es einen eigenen Raum - die eigentliche Impfung erfolgt wieder einen Raum weiter. Am Ende werden die Geimpften in einen weiteren Warteraum geführt. Hier sollen sie 15 Minuten warten, ob sich Nebenwirkungen einstellen - wer eine Vorerkrankung hat, bleibt sogar 30 Minuten.
Es ist genau geplant, 80 Menschen könnte man hier pro Stunde impfen, bei einer Öffnungszeit von acht Stunden also 640 am Tag. Heute aber werden es nur 98 sein, es sind deswegen auch nur zwei Impflinien geöffnet. Und statt den ganzen Tag hat man auch nur nachmittags geöffnet. Es ist dieselbe Frage wie auch sonst in ganz Deutschland, die sich die Mitarbeiter stellen und die sich dem Beobachter aufdrängt: Was nützen all die vielen, noch unausgelasteten Impfzentren, wenn es so wenig Impfstoff gibt?
Guido Reisewitz ist optimistisch: "Ich rechne damit, dass wir das hier sehr bald hochfahren können." Reisewitz, 48 Jahre, ist koordinierender Arzt für den Kreis Segeberg. Er impft nicht selbst, sondern ist unter anderem verantwortlich für das Hygienekonzept des Zentrums, und er erstellt die Dienstpläne für die Helferinnen und Helfer. "Ich habe 130 Kollegen, die ständig nachfragen, wann sie hier endlich einen Dienst anbieten können. Die sind heiß", sagt er.
Das Impfzentrum sei in kürzester Zeit gewachsen, viele Leute aus unterschiedlichsten Richtungen seien zusammengewürfelt worden. "Ich komme sehr gerne her. Es ist Wahnsinn, wie herzlich und liebevoll alle miteinander umgehen." Und ja, er glaube, dass es bald besser werde mit der Impfstoffversorgung.
Otto Fritze muss sich diese Frage nicht mehr stellen: Ein kurzer Stich nur und der 89 Jahre alte Rentner hat auch die zweite Impfung hinter sich. Für ihn persönlich ist Corona kein Thema mehr. "Ich habe im letzten Jahr sehr viele lange Spaziergänge gemacht. Mehr war ja kaum möglich", sagt er. Jetzt kann er wieder am Leben teilnehmen.