Berlin (epd). Dass die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie allgegenwärtig sind, zeigte zuletzt die Debatte um den nächsten Bundeshaushalt. Die gute Nachricht: Der Etat des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales soll im kommenden Jahr von 149 Milliarden auf rund 164 Milliarden Euro steigen. Der Reha-Haushalt für Einrichtungen der beruflichen Reha liegt bei 1,81 Mrd. Euro im Jahr 2020 und bei immerhin 1,82 Milliarden Euro im Jahr 2021. Da habe ich mir eine deutlichere Anhebung gewünscht. Die Berufsbildungswerke müssen 2021 und darüber hinaus durch die Bundesagentur für Arbeit sicher finanziert werden.
Denn es muss besonders in diejenigen investiert werden, die es auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ohnehin schwer haben. Dazu gehören Jugendliche und junge Erwachsene mit Behinderung. Sie brauchen gerade jetzt in dieser angespannten Lage die Garantie, eine Ausbildungsstelle zu bekommen.
Denn: Investitionen in die berufliche Rehabilitation von Jugendlichen mit Behinderung lohnen sich. Das zeigt unsere Bilanz des vergangenen Jahres: Wir haben 2019 rund 90 Prozent unserer Auszubildenden erfolgreich durch die Abschlussprüfung vor den Kammern gebracht und 66 Prozent direkt in den ersten 1. Arbeitsmarkt vermittelt. Ich sage aber auch, dass wir weiter daran arbeiten müssen, diese Quoten noch zu verbessern.
Besonders nachdenklich stimmen mich die Kernergebnisse einer aktuellen Analyse des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) in Berlin. Es kommt zu der berechtigten Annahme, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland im Zuge der Corona-Krise enorm steigen wird. Vor allem die Zukunftsaussichten für geringqualifizierte junge Menschen sind den Forschern zufolge besonders ungünstig.
Es ist daher wichtig, dass der Übergang von der Schule in die Berufs- und Arbeitswelt künftig so gestaltet wird, dass leistungsschwächere Jugendlichen mit einer Beeinträchtigung gute Chancen auf Ausbildung und Integration in den Arbeitsmarkt erhalten. Es ist umso wichtiger, dafür das Angebot der bundesweit derzeit 50 BBW zu nutzen.
Bei uns bekommen Jugendliche mit schwacher schulischer Vorbildung, die anderswo kaum eine Chance auf eine betriebliche Ausbildung haben, eine optimale Starthilfe ins Berufsleben. Mit unseren kompetenten Fachleuten gelingt es, sie erfolgreich zum Ausbildungsabschluss zu führen und sie in einen Job auf dem 1. Arbeitsmarkt zu vermitteln.
Neben beruflichem Fachwissen stehen vor allem die Persönlichkeitsentwicklung sowie eine stabile psychische und physische Gesundheit im Vordergrund. Bei uns lernen viele junge Menschen das erste Mal, selbstständig ihr eigenes Leben zu organisieren, von der Vorbereitung auf Prüfungen, über eine eigenverantwortliche Praktikumssuche bis hin zum Wohnen in den eigenen vier Wänden.
Die Ausbildung in einem Berufsbildungswerk ist nicht der vielzitierte "Sonderweg in eine Sondereinrichtung", sondern ein wichtiger Baustein im inklusiven Ausbildungssystem. Jede von uns begleitete Ausbildung hat hohe Praxisanteile. Deswegen sind alle BBW in ihrer Region eng vernetzt mit kleinen und mittleren Betrieben bis hin zu großen Unternehmen, um betriebliche Praxisanteile für die Auszubildenden sicherzustellen.
Eine Ausbildung unter der Käseglocke widerspricht sowohl unseren Anforderungen an die Qualität einer Reha-Ausbildung als auch den Ansprüchen der Jugendlichen mit Behinderungen. 22 Prozent der Ausbildungen finden verzahnt mit Unternehmen aus der Region statt. 86 Prozent der Jugendlichen aus der verzahnten Ausbildung sind spätestens nach zwölf Monaten in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung. Damit zeigen die BBW, dass sie inklusiv und wirtschaftsbezogen neue Fachkräfte qualifizieren.
Klar ist aber auch: Ohne eine ausreichende Zahl an Aus- und Arbeitsplätzen haben Jugendliche mit Behinderung keine Chancen auf berufliche Teilhabe. Ich finde es großartig, dass die Bundesregierung verschiedene Maßnahmenpakete geschnürt hat, um Betriebe zu unterstützen, die gerade in der Pandemie straucheln.
Gerade in Krisenzeiten benötigen vor allem Jugendliche mit Behinderung unsere gezielte Förderung. Daher appelliere ich an alle Arbeitgeber, weiterhin auf die Ausbildung behinderter Jugendlicher zu setzen, gerne gemeinsam mit uns BBW. Wenn uns das Menschenrecht auf Inklusion wirklich etwas wert ist, dann müssen wir zusammen dafür Sorge tragen, dass Jugendliche mit Behinderung auch nach der Coronakrise Chancen auf eine gute Ausbildung haben.
Während des Lockdown haben die BBW bewiesen, dass ihre Arbeit systemrelevant ist, dass sie kreativ und verlässlich alternative Lernangebote aufsetzen und keinen der 15.000 Jugendlichen, die aktuell ausgebildet werden, zurücklassen.
Hybrides Lernen, also die Kombination aus Präsenz- und Onlineunterricht, wird aus meiner Sicht auch in Zukunft den Ausbildungsalltag in den Berufsbildungswerken prägen. Wir müssen daher jetzt die Weichen für eine gute Ausbildung 4.0 stellen.
Dafür braucht es eine flächendeckende Digitalisierungsoffensive für die berufliche Bildung und dazu die nötigen finanziellen Mittel vom Bund. Digitalisierung bedeutet aber für mich mehr als eine gute digitale Infrastruktur. Wir brauchen in unseren Berufsbildungswerken nicht nur moderne Technik und stabile Netzwerk-Leitungen, sondern auch digitale Kompetenzen sowie gut qualifiziertes Personal. Nur so können wir auch den steigenden Anforderungen der Arbeitswelt 4.0 gerecht werden.
Und wichtig ist uns außerdem, dass Reha-Angebote innovativ weiterentwickelt werden. Deswegen beteiligen wir uns bundesweit an Modellvorhaben. Aktuell sind wir Partner im Projekt "KI.ASSIST", das erforscht, welche Personengruppen an konkreten Lern- und Arbeitsorten nachhaltig vom Einsatz KI-basierter Assistenzsysteme profitieren und damit nachhaltig im Arbeitsleben bestehen können.