Berlin (epd). Die Zulassung von Corona-Impfstoffen ist auf der Zielgeraden. Auch Deutschland bereitet sich darauf vor. Im Mittelpunkt steht die Frage, wer zuerst geimpft werden soll. Dazu hat jetzt die Ständige Impfkommission (Stiko) beim Robert Koch-Institut erste Empfehlungen publiziert. Diese sind Grundlage der ausstehenden Impfverordnung, die das Bundesgesundheitsministerium vermutlich noch im Dezember erlässt. Der Evangelische Pressedienst (epd) erläutert, welche Bedingungen erst erfüllt sein müssen, welche Gruppen priorisiert werden und wo noch Schwierigkeiten liegen.
Warum gibt es noch keinen offiziellen Starttermin für die Massenimpfungen?
Weil es noch keinen von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) zugelassenen Impfstoff gibt. Die Zulassung aber ist nötig, bevor das Bundesgesundheitsministerium per Rechtsverordnung festlegt, in welcher Reihenfolge geimpft wird. Die EMA prüft derzeit zwei Vakzine.
Warum ist die bereits erarbeitete Impfstrategie des Gesundheitsministeriums noch in einem vorläufigen Status?
Das Ministerium lässt sich bei seinen Überlegungen von Experten beraten, so etwa von der Stiko, die am 7. Dezember erste Empfehlungen für die Reihenfolge der Impfungen festgelegt hat. Diese sind nötig, weil es anfangs nicht genug Impfdosen gibt.
Auf welcher Grundlage werden die Corona-Impfungen erfolgen?
Rechtliche Basis ist eine Verordnung des Ministeriums, die jetzt nach Vorlage der Stiko-Empfehlungen erarbeitet werden kann. Das soll bis Ende des Monats geschehen.
Welche Reihenfolge bei den Impfungen empfiehlt die Stiko?
Aufgrund von begrenzter Impfstoffverfügbarkeit sollen alle Menschen im Alter von über 80 Jahren, Heimbewohner, Pflegekräfte im ambulanten und stationären Bereich sowie Beschäftigte in Notaufnahmen und Covid-19-Stationen zuerst geimpft werden, ebenso andere Beschäftigte in Pflegeheimen, Personen mit Behinderungen und Demenzpatienten sowie deren Betreuungspersonal. Diese Personengruppen hätten ein besonders hohes Risiko für schwere oder tödliche Verläufe oder seien beruflich besonders exponiert oder hätten engen Kontakt zu besonders gefährdeten Menschen, hieß es. Die Stiko teilt die Bürger in unterschiedlich dringliche Kategorien ein, orientiert am Alter, an möglichen Vorerkrankungen und an den beruflichen Tätigkeiten. So folgen im Ranking später etwa jüngere Pflegekräfte, Bewohner von Asylbewerberheimen und Obdachloseneinrichtungen und "Personen mit prekären Arbeits- und Lebensbedingungen", etwa in der Fleischindustrie.
Wer folgt dann?
In der nächsten Gruppe finden sich dann etwa Lehrerinnen, Erzieherinnen, Polizisten und Feuerwehrleute. Als letzte Impflinge sind "normale" Bürgerinnen und Bürger vorgesehen, die jünger als 60 Jahre alt sind.
Welche Probleme bestehen?
Die größte Schwierigkeit besteht in der fachgerechten Verteilung der Impfstoffe. Das Vakzin des Herstellers Biontec/Pfizer muss bei minus 70 Grad gelagert und verteilt werden. Beim Impfstoff von Moderna, dem zweiten Anbieter, der die Zulassung bei der EMA beantragt hat, ist nur eine normale Kühlung nötig. Eine organisatorische Herausforderung ist die Aktion aber ganz unbestritten, zumal alle Impflinge zweimal in mehrwöchigem Abstand geimpft werden müssen. Zunächst werden Mobile Teams der Impfzentren ausschwärmen, denn viele Hochbetagte in Heimen und auch behinderte Menschen können nur in ihren Wohneinrichtungen immunisiert werden. Und: Noch sind die Bundesländer auf der Suche nach Ärzten und qualifiziertem Personal für die Impfzentren.
Wie viele Impfdosen werden gebraucht?
Diese Frage kann niemand beantworten. Denn das hängt von der Impfbereitschaft der Bürger ab, zu der es nur Umfrageergebnisse gibt. Laut einer Erhebung der Barmer Krankenkasse ist knapp über die Hälfte der Bevölkerung über 16 Jahren zu einer Corona-Impfung bereit. Um eine "Herdenimmunisierung" zu erreichen, sind das zu wenige. 42 Prozent der Befragten wollen ihre Kinder impfen lassen. 15 Prozent sagten, sie wollten sich vielleicht impfen lassen, 9 Prozent "eher nicht" und 13 Prozent "sicher nicht".
Wie will man einen Ansturm auf die Impfzentren vermeiden?
Das Gesundheitsministerium teilte dem epd mit, es solle ein einheitliches Terminmanagement geben, um lange Warteschlangen vor den Zentren zu vermeiden. Das Ministerium erarbeite zusammen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ein standardisiertes Modul zur Terminvereinbarung für alle Impfzentren einschließlich der mobilen Impfteams. Dieses Modul soll ein freiwilliges Angebot an die Länder werden. Die können aber auch eigene Strukturen aufbauen. Zudem ist geplant, dass für bevorzugte Impfungen in den Zentren Atteste von Hausärzten vorgelegt werden müssen, aus denen hervorgeht, dass "ein krankheitsbedingt erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf in Bezug auf die Coronavirus-Krankheit-2019" vorliegt. Die Hausärzte lehnen dieses Verfahren rigoros ab, weil es die Praxen überfordern würde. Priorisierungsentscheidungen würden "quasi durch die Hintertür bei den Hausärztinnen und Hausärzten abgeladen".