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Krankenhausversorgung: zentral oder regional?




Die Uniklinik in Aachen
epd-bild/Gudrun Petersen
In einem sind sich alle einig: Eine flächendeckende und leistungsstarke Krankenhausstruktur ist wichtig, um auch künftig Krisen wie die Corona-Pandemie meistern zu können. Daran, wie das am besten gelingt, scheiden sich allerdings die Geister.

Die Corona-Pandemie hat die Krankenhäuser in Deutschland und ihre Leistungsfähigkeit in den Fokus gerückt. Besonders umstritten ist, wie viele Kliniken für eine ausreichende und bezahlbare Versorgung gebraucht werden. epd sozial gibt einen Überblick über die verschiedenen Positionen.

Worum geht es in der Strukturdebatte?

Der demografische Wandel, der medizinisch-technische Fortschritt sowie knapper werdende personelle und finanzielle Ressourcen erfordern einen Umbau der Krankenhauslandschaft in Deutschland. Im Kern dreht sich der aktuelle Streit über notwendige Reformen darum, welche und wie viele Einrichtungen nötig sind. Die einen plädieren für zentrale und spezialisierte Kliniken in größeren Städten. Die anderen wollen hingegen auch an kleineren und regionalen Krankenhäusern festhalten.

Welche Argumente gibt es für zentrale und spezialisierte Einrichtungen?

Die Bertelsmann Stiftung untersuchte in einer Simulation die Vorteile einer Zusammenlegung von Kliniken. Kleinere Häuser verfügten nicht über die nötige Ausstattung und Erfahrung, um lebensbedrohliche Notfälle angemessen zu behandeln. Wenn Operationen und Behandlungen in einer Klinik Routine sind, bestehe eine größere Chance auf eine erfolgreiche Behandlung, heißt es in der Studie von 2019. Würden kleinere Einrichtungen zusammengelegt, ginge das mit einer höheren Spezialisierung sowie einer besseren Betreuung durch Fachärzte und Pflegekräfte einher.

Die Fahrzeiten erhöhten sich bei einer Spezialisierung und Zusammenlegung der Krankenhäuser nur minimal. Außerdem müssten Menschen aus entlegenen Gebieten schon heute lange Fahrtzeiten auf sich nehmen, heißt es. Darüber hinaus werde gut ausgebildetes Personal knapp. Die vorhandenen Fachkräfte und ihre medizinischen und pflegerischen Kompetenzen müssten daher gebündelt werden.

Ökonomen und Gesundheitspolitiker argumentieren, durch eine Zusammenlegung könnten kleinere Häuser ihre Kosteneffizienz steigern. Sie könnten außerdem durch eine bessere Behandlungsqualität dazu beitragen, dass den Krankenkassen weniger Ausgaben durch Komplikationen entstehen. Für eine dezentrale Versorgung vor Ort könnten mehr stationäre Behandlungen in den ambulanten Bereich verlegt werden.

Welche Argumente gibt es für kleinere und regionale Kliniken?

Der Ausbau der zentralen Einrichtungen sei sehr kostenintensiv, erklären Krankenhausgesellschaften und -verbände. Schon jetzt fehlten Fördermittel von den Landesregierungen. Sie weisen auch auf kartellrechtliche Schwierigkeiten hin. Tatsächlich wurden in der Vergangenheit verschiedene geplante Fusionen von Krankenhäusern durch das Bundeskartellamt untersagt oder gar nicht erst weiter verfolgt, nachdem die Behörde Bedenken geäußert hatte. Die Bundesbehörde selbst weist darauf hin, dass ein Wettbewerb zwischen Krankenhäusern die Qualität der Versorgung verbessern und somit den Patientinnen und Patienten zugutekommen würde.

Darüber hinaus gebe es in Großstädten chronisch Platzmangel, sagen Krankenhausgesellschaften. Große Flächen für Klinikzentren freizumachen, sei also ein städtebauliches Problem. Ein weiteres Argument ist, dass viele Menschen zu weit entfernt von den Städten wohnen. In Fällen, in denen es auf Minuten ankommt, wie zum Beispiel bei Frauen mit Risikoschwangerschaften oder bei Schlaganfällen seien die Wege zu weit. Hebammenverbände klagen bereits heute über fehlende Kreißsäle.

Die Gegner der gebündelten Kliniken zweifeln zudem an dem Vorschlag, mehr bislang stationär erbrachte Leistungen in den ambulanten Bereich zu verschieben. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte könnten dies nicht auffangen. Die Ministerpräsidenten verschiedener Bundesländer weisen darauf hin, dass Kliniken in ländlichen Gebieten mit Ärztemangel wichtige Grundversorger seien.

Jana-Sophie Brüntjen


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