Hamburg (epd). Corona kann sogar Spaß machen. Das neue Stück des inklusiven Klabauter Theaters "Alle krank" greift die Pandemie künstlerisch auf und bekämpft das Virus mit Sprechgesang, Videoinstallationen und Pantomime. Dabei ist das Grundthema des Stücks gar nicht Corona, sondern schlicht die Frage: "Was bedeutet eigentlich Krankheit?" Die zwölf Schauspielerinnen und Schauspieler mit Beeinträchtigung singen in "Alle krank" die "Wartezimmer-Polka", jonglieren verbal mit den eigenen Beeinträchtigungen oder Krankheiten und greifen Themen wie Trauer und Ausgrenzung künstlerisch auf.
Das Klabauter Theater gibt es seit mehr als 20 Jahren. Die Ensemble-Mitglieder sind zwischen 30 und 47 Jahre alt und größtenteils seit vielen Jahren dabei. Die Entstehung dieses Stückes war jedoch besonders schwierig: Kurz vor der Premiere im Frühjahr wurde das öffentliche Leben wegen der Corona-Pandemie ausgebremst. Von Mitte März bis Mitte Juni durften die "Klabauter" nicht mehr in das ehemalige Gemeindehaus Borgfelde kommen, in dem das Theater mit Probenräumen, Maske, Bühne und Verwaltung untergebracht ist.
"Corona war für mich der Horror", sagt Agnes Wessalowski (39), die seit 21 Jahren im Ensemble spielt. Sie lebt in einer Wohngruppe und zog im Frühjahr erst mal wieder zu ihren Eltern. Das sei nicht immer einfach gewesen, sie habe vor allem ihre Kollegen vermisst. "Wir sind nicht nur Kollegen, wir sind auch Freunde bei Klabauter", sagt die sportliche Frau. Auf der Bühne bringt sie ihre Gefühle aus dieser Zeit, allein im Scheinwerferkegel stehend, beeindruckend pointiert zum Ausdruck.
Das Team um Klabauter-Leiterin Karin Nissen-Rezvani hielt den Kontakt in dieser Zeit so gut wie möglich per Telefon und Skype, und so wurde auch weiter am Stück gearbeitet. "Wir haben den 'Klabautern' immer wieder Aufgaben gegeben, ihre Gedanken und Gefühle festzuhalten." Daraus entstanden Audio-Tracks, Skizzen und Texte, die in das aktuelle Stück mit einflossen. Das regt mal zum Nachdenken an und dann wieder zum herzlichen Lachen. Die Idee zum ursprünglichen Stück hatte die damalige Klabauter-Leiterin Dorothée de Place im Sommer 2019. Nachdem die Schauspieler wieder ins Theater zurückkehren durften, wurden die einzelnen Passagen ergänzt, geändert und neu zusammengefügt.
Klabauter studiert pro Saison bis zu vier Stücke ein. Neben den regelmäßigen abendlichen Vorstellungen können Schulklassen und Gruppen in Workshops, Fortbildungen und öffentlichen Proben die Arbeit des Ensembles kennenlernen. Das Programm beinhaltet neben Eigenproduktionen auch Koproduktionen mit freien Gruppen und Künstlern sowie Gastspiele.
Geprobt wird täglich von 9.30 bis 15 Uhr. Der Ablauf ist wie bei anderen Theatern auch, allerdings werden die "Klabauter" etwas mehr geschützt. "Wir gehen etwas vorsichtiger mit den Kräften um", beschreibt es Nissen. Die "Klabauter" bringen bei jedem Stück viel von sich persönlich ein, so die erfahrene Dramaturgin, die im Februar die Leitung des Klabauter Theater übernahm. Aufgabe der Regisseure sei dann die Umsetzung und Einbettung in einen künstlerischen Zusammenhang.
Entstanden ist das Klabauter Theater aus einem Projekt des Thalia Theaters 1993. Inzwischen gehört es zur evangelischen Stiftung "Rauhes Haus" und wird von der Sozialbehörde und der Kulturbehörde unterstützt. Seit 2019 erkennt die Stadt Klabauter als professionelle Bühne an und fördert es als Privattheater. Diese zusätzliche Finanzierung ermöglichte den Ausbau der Technik auf ein höheres Niveau. "Klabauter hat einen professionellen künstlerischen Anspruch", sagt Nissen.
Für "Alle krank" stehen weitere Aufführungen ab 20. November auf dem Programm. Das nächste Stück wird bereits geprobt: Die Premiere von "Publikumsbeschimpfung" ist für Oktober geplant.