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Digitalisierung

Experten fordern "Digitale Streetworker" für Senioren



Experten in der Seniorenarbeit fordern mehr Unterstützung für Senioren im Umgang mit neuen Medien. Der Landesseniorenrat Niedersachsen (LSR) begrüßte die Forderung des IT-Verbandes Bitkom nach "Digitalen Streetworkern" für ältere Menschen, die teilweise Computer nicht nutzen, weil ihnen Unterstützung fehlt. Die Helfer könnten in Seniorenbüros und Pflegestützpunkten angesiedelt werden, sagte die Vorsitzende des LSR, Ilka Dirnberger, am 26. August dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dirnberger sprach sich außerdem dafür aus, die analoge Kommunikation über das Festnetztelefon und den Postweg aufrechtzuerhalten. "Wir werden da noch eine ganze Weile zweigleisig fahren müssen."

Dieser Meinung ist auch Patrick Ney, Gerontologe und Digital Scout im Fachbereich Senioren der Landeshauptstadt Hannover. Er koordiniert die digitalen Beratungsangebote der rund 125.000 Über-65-Jährigen in Hannover. "Es ist klar, dass der digitale Wandel immer mehr voranschreitet und alle Lebensbereiche umfassen wird, aber es muss trotzdem auch ein Recht auf analoge Strukturen geben", sagte er. Ney kritisierte die Gebühren, die bereits jetzt für analoge Banküberweisungen oder telefonisch gebuchte Fahrkarten berechnet werden.

Ehrenamtliche Medienlotsen

Die Idee der "digitalen Streetworker" unterstützt der Altersforscher. "Wir brauchen Übersetzer der analogen Welt in die digitale. Streetworker ist dafür ein passender Begriff", sagte Ney. In Hannover stehen nach seinen Angaben computerinteressierten Senioren seit vier Jahren rund 30 ehrenamtlich Medien- und Techniklotsen zur Verfügung. Sie beraten mehr als 2.000 Bürger jährlich. Die digitale Unterstützung war zeitweilig durch das Coronavirus ins Stocken geraten. Die persönliche Beratung im häuslichen Umfeld der Senioren lief laut Ney erst Anfang August wieder an. Sie finde auch jetzt noch nicht wieder in vollem Umfang statt, da einige der ehrenamtlichen Medienlotsen pandemiebedingt nicht zur Verfügung stünden.

Der Digitalverband Bitkom hatte 1.000 Menschen im Alter über 65 Jahren zu ihrer Internetnutzung befragt. Ergebnis: Der Anteil der Senioren, die online aktiv sind, hat sich trotz der Corona-Pandemie kaum erhöht. Nach wie vor nutzt nur etwa jeder zweite ab 65 Jahren das Internet. Anfang des Jahres waren es 48 Prozent, im Juli 2020 der Umfrage zufolge 49 Prozent. Laut Bitkom nutzen inzwischen rund 40 Prozent der Älteren mit Computer- und Internetzugang Videotelefonie. Anfang des Jahres waren das nur 30 Prozent. Auch beim Online-Einkauf stieg die Quote: von 67 auf 72 Prozent.

Von den Senioren, die keinen Computer nutzen, geben 14 Prozent als Grund an, dass sie niemanden hätten, der sie in technischen Fragen unterstützt. "Wir dürfen nicht zulassen, dass interessierte Senioren der digitalen Welt fernbleiben, weil ihnen die Hilfsangebote fehlen", sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. Aus Sicht seines Verbandes könnten "digitale Streetworker" älteren Menschen im Umgang mit Computer und Internet helfen.

Julia Pennigsdorf


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