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Sozialbranche

Mit klimafreundlichem Antrieb zum Patienten




Die Caritas nahm im Okobter 165 E-Autos auf einen Schlag in Betrieb.
epd-bild/Andreas Oertzen
Auch die Sozialbranche pflegt ein "grünes" Image - und setzt vermehrt auf E-Autos. Das ist nicht billig. Immerhin sind die Stromer dank staatlicher Fördergelder jetzt deutlich günstiger zu haben. Doch die Umstellung der Pkw-Flotte braucht viel Know-how - und damit auch Zeit.

Ende Oktober 2019 wurde mit gehörigem medialem Trommelwirbel die Nachricht verbreitet: "Größter Roll-Out von Elektrofahrzeugen im Wohlfahrtsbereich". Die Caritas in Nordrhein-Westfalen nahm 165 batteriegetriebene, geleaste "SmartForFour" auf einen Schlag in Empfang. 25 Ortsverbände in NRW nutzen die Wagen jetzt vorrangig für die ambulante Pflege und erreichen den Angaben nach rund 3.000 Patienten ohne Co2-Ausstoss. Noch sind solch große Kontingente an neuen Stromern eine Ausnahme in der Sozialbranche. Die Umstellung ihrer Pkw-Flotten auf E-Autos kommt nur langsam voran. Und das hat Gründe - ein Lagebericht.

Ende 2019 waren auf Deutschlands Straßen rund 63.300 Elektroautos unterwegs. Das waren zwar mehr als doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Tendenz weiter steigend. Bis zum Jahr 2030 sollen es jedoch laut Bundesregierung sieben Millionen sein - ein gewaltiger Kraftakt.

Völlige Umrüstung braucht noch mehrere Jahre

Dazu müssen auch die Sozialunternehmen ihre Verbrenner- gegen E-Autos tauschen. Längst sind ambulante Pflegekräfte, Betreuer behinderter Menschen oder Haus-Notfuf-Dienste auch schon elektisch unterwegs. "Doch die vollständige Umrüstung ihrer Fuhrparks braucht noch einige Jahre", sagt Markus Grams, Geschäftsführer der "Caritas Dienstleistungs- und Einkaufsgenossenschaft im Erzbistum Paderborn eG".

Was auch damit zu tun hat, dass es nicht für alle Nutzungswünsche bereits passende Autos gibt. Und: Die Akkureichweiten für Pflegedienste seien in der Stadt ausreichend, "im ländlichen Raum, wo schon mal bis zu 200 Kilometer Fahrtstrecke nötig sind, hätte das mit den Smarts nicht funktioniert".

Er muss es wissen, denn der Fachmann kennt alle Hürden, die etwa bei Pflegediensten dem Umstieg auf E-Autos noch im Wege stehen: "Das ist schon recht kompliziert. Vor allem ist es nicht einfach, an die staatlichen Fördergelder zu kommen und Ladestationen zu planen und installieren zu lassen", sagte Grams im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst. Deshalb habe die Caritas beschlossen, die nötige Expertise für die Beschaffung von E-Autos an einem Standort zu bündeln und auch anderen Interessenten wie der Diakonie ihren Service anzubieten. Die Mitarbeiter übernehmen eine Art Komplettservice, von der Modellauswahl über die Leasingkonditionen bis hin zur Installation der Ladestationen.

Viel Know-how gefordert

"Man braucht schon Know-how, auch wenn es etwa um die Verträge mit den Herstellern geht, Stichwort Leasing. Kleine Träger, kleine Verbände, die nur mal eben ein, zwei Autos beschaffen wollen, sind da leicht überfordert." Und: Günstig wird es für die Abnehmer, weil die Caritas dank der üppigen Fördergelder über ihre Mengenabnahme günstige Leasingraten bieten kann.

Bundesweite Zahlen über ihre Elektroauto-Flotten haben die Sozialverbände nicht parat. "Aufgrund der rechtlichen Eigenständigkeit der ASB-Gliederungen haben wir zentral keine validen Daten", heißt es auf Anfrage in der Pressestelle des Arbeitersamariterbundes (ASB). Ähnlich äußert sich das Deutsche Rote Kreuz: "Es werden in diesem Bereich bundesweit im Verband keine Zahlen erhoben, weil die Pflegedienste von den jeweiligen DRK-Kreisverbänden organisiert werden."

NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) stellte bei der Übergabe der Smart-Flotte im Oktober ganz grundsätzlich fest: "Gerade für die relativ kurzen täglichen Strecken, die Pflegedienste zurücklegen, sind kleine und effiziente E-Fahrzeuge ideal." Und er vergaß auch nicht zu erwähnen, dass das Land mit insgesamt 450.000 Euro zur Förderung der E-Mobilität bereitstellt - was die Branche durchaus honoriert.

Caritaschef begrüßt Fördergelder

Lob für die öffentlichen Fördergelder kam auch von Paderborns Caritas-Vorstandsvorsitzendem Patrick Wilk. Sie seien eine große Hilfe, "um die wirtschaftlichen Herausforderungen durch die Umstellung auf Elektromobilität zu stemmen". Sein Verband verfolge die Idee der Elektrifizierung der Pflegedienstflotte bereits seit sechs Jahren. Man wolle bis 2022 rund 600 weitere E-Autos in den Fuhrpark integrieren. Dazu seien aber zunächst weitere Investitionen nötig: 500 neue Ladepunkte sollen in Zusammenarbeit mit den örtlichen Netzanbietern errichtet werden.

Die Caritas hat nach eigenen Angaben für jedes der im Herbst beschafften Fahrzeuge 2.700 Euro Förderung aus dem Förderprogramm "Emissionsarme Mobilität" des Landes erhalten. Weil die Autos weniger als 60 Monate geleast werden, gibt es nicht die maximale Fördersumme von 4.000 Euro pro Wagen. Zusätzlich erhält der Verband für jedes Auto den bundesweiten Umweltbonus von 4.000 Euro, der zur Hälfte von der Bundesregierung und dem jeweiligen Autohersteller finanziert wird.

Der Bundesverband eMobilität (BEM) lobte die Caritas. Sie habe "konsequent ihre Vorteile in der Elektromobilität erkannt, zielgerichtet ein Handlungskonzept für den Betrieb der Flotte erstellt und umgesetzt", sagte Frank Müller, Wissenschaftlicher Beirat des BEM. Auch dass der Verband massiv in die Ladeinfrastruktur und auch Carsharing investiere, sei vorbildlich, betonte Müller, dessen 2009 gegründeter Zusammenschluss von Unternehmen, Wissenschaftlern und Anwendern sich für Fortschritte in der Elektromobilität einsetzt.

Praxistets sind längst bestanden

Dass sich der Einsatz von batteriegetriebenen Autos im Sozialeinsatz lohnt, haben zig Pilotprojekte und Praxistests längst belegt. So auch ein Versuch über zwei Jahre, an dem Arbeiterwohlfahrt, die Volkssolidarität und die Lebenshilfe in und um Erfurt E-Autos im Rahmen des Forschungsprojekts sMobilityCOM erprobten.

In der ambulanten Pflege kamen 25 Fahrzeuge an acht Standorten zum Einsatz. Gefahren wurden 600.000 Kilometer. Ergebnis: Alle Teilnehmer waren von den Vorzügen der Elektromobilität überzeugt. Die Betriebskosten ließen sich auf 50 Prozent im Vergleich zu herkömmlichen Benzinfahrzeugen senken. Christian Böttcher von der AWO betonte: "Wir fahren weiter elektrisch und mit den kommenden neuen Fahrzeugmodellen dann auch wirtschaftlich." Denn: Neue Dienstfahrzeuge mit Elektromotor sind in Deutschland für zehn Jahre von der Kfz-Steuer befreit.

Kritik gab es jedoch an den vergleichsweise hohen Anschaffungskosten der Stromer. Die müssen die Sozialträger übrigens genauso stemmen wie die Bürger: "Spezielle Förderbedingungen für sie gibt es nicht", heißt es auf Anfrage beim Bundeswirtwirtschaftsministerium. Doch mit Blick auf den bis Ende 2025 verlängerten Umweltbonus gab sich das Ministerium optimistisch: "Durch die erhöhte Kaufprämie verleihen wir dem Hochlauf der E-Mobilität in Deutschland auch weiteren Schub." Gemeinsam mit der Autoindustrie könne man mit dem Umweltbonus weitere rund 650.000 bis 700.000 Elektrofahrzeuge fördern.

Verbandschef rügt Bundesregierung

Kurt Sigl, Präsident BEM, wirft dem Bund indes vor, die angekündigten Fördergelder noch nicht auszuzahlen. Offenbar seien die bürokratischen Wege nicht entsprechend vorbereitet worden. So werde der Absatz der E-Autos blockiert. "Obwohl die Bundesregierung im November 2019 den Umweltbonus von bis zu 6.000 Euro Zuschuss versprochen hat, stehen Wirtschaft, Händler und Kunden derzeit im Regen." Das sei "politische Regulierung, wie sie in ein Lehrbuch für Worst-Case-Szenarien passt."

Die Caritas Dienstleistungs- und Einkaufsgenossenschaft Paderborn schreckt all das nicht. "Wir haben jetzt deutlich bessere Möglichkeiten, vor allem wegen der breiteren Palette an Modellen, die wir prüfen und dann auch bereitstellen können", sagt Grams. Seit dem Jahreswechsel hätten seine Kollegen schon weitere Autokontingente vorgeblockt. "Unser Ziel ist es, 300 Autos im Jahr zu vermitteln. Das werden wir, Stand heute, in diesem Jahr spielend schaffen. Vielleicht werden es auch 400, wenn alles gut läuft."

Dirk Baas


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