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Experte: Trägern fehlt Know-how bei der Umstellung auf E-Autos




Markus Grams
epd-bild/Andreas Oertzen
In Paderborn befindet sich eine wichtige Wissens- und Kontaktbörse in Sachen E-Autos: die Dienstleistungs- und Einkaufsgenossenschaft im Erzbistum Paderborn. Im Interview mit dem epd erläutert Einkaufsleiter Markus Grams, wo die Hürden bei der Umstellung des Fuhrparks liegen, wie sich die Modellpalette der E-Autos entwickelt und wo die Chancen für die Sozialträger liegen.

Eins stellt Markus Grams gleich eingangs fest: Die Umstellung von Verbrennern auf Stromer ist so einfach nicht: Vor allem die Antragsbürokratie bei den Fördergeldern habe es in sich. Kleine Täger seien da leicht überfordert, sagt er im epd-Interview. Seine Einrichtung will da helfen: "Wir ordern meist größere Stückzahlen. Da macht es Sinn, dass wir uns mit den Herstellern zusammentun, um Modelle zu finden, die standardisiert sind und die dann bei hohen Bestellzahlen deutlich günstiger zu haben sind." Die Fragen stellte Dirk Baas.

epd sozial: Herr Grams, wie einfach ist es für soziale Träger wie die Caritas, ihre Fuhrparks auf E-Autos umzustellen?

Markus Grams: Das ist schon recht kompliziert. Vor allem ist es nicht einfach, an die staatlichen Fördergelder zu kommen und Ladestationen zu planen und installieren zu lassen. Weil das so ist, haben wir für die Caritas beschlossen, eine Einheit zu schaffen, die die nötige Expertise für die Beschaffung von E-Autos an einem Standort bündelt. So ist letztlich die Caritas eG entstanden. Man braucht schon Know-how, auch wenn es etwa um die Verträge mit den Herstellern geht, Stichwort Leasing. Kleine Träger, kleine Verbände, die nur mal eben ein, zwei Autos beschaffen wollen, sind da leicht überfordert.

epd: Dabei geht es ja auch um viel Geld...

Grams: Ja, denn wir ordern meist größere Stückzahlen. Da macht es Sinn, dass wir uns mit den Herstellern zusammentun, um Modelle zu finden, die standardisiert sind und die dann bei hohen Bestellzahlen deutlich günstiger zu haben sind.

epd: Würden Sie sagen, dass das Bewusstsein, in Sachen Klimaschutz aktiv zu werden, ist bei den Sozialträgern durchweg vorhanden?

Grams: Ich denke schon. Wir wissen aus vielen Kontakten und Anfragen, dass die Pflegedienste grundsätzlich der E-Auto-Nutzung sehr positiv gegenüberstehen. Aber es fehlt oft die Kompetenz, all die vielen Fragen rund um die Beschaffung zu beantworten. Deswegen lassen noch viele Träger zur Zeit noch die Finger davon. Grundsätzlich kann man sagen, dass eigentlich schon weit mehr Elektroautos unterwegs sein könnten. Der Markt gibt das inzwischen her, anders als noch vor drei, vier Jahren, wo es kaum passende Modelle für eine spezielle Nutzung wie die ambulante Pflege gab.

epd: Gilt das auch für andere Sozialverbände, zu den Sie ja auch Kontakt haben, wie etwa die Diakonie?

Grams: Auf jeden Fall. Das Bewusstsein ist zweifellos vorhanden. Der Wunsch ist sicher oft da, zügig umzurüsten, doch müssen stets auch die Rahmenbedingungen stimmen. Wir haben auch Nachfragen aus der Diakonie. Die sind von der Priorität aus naheliegenden Gründen etwas untergeordnet, weil wir auch nur eine bestimmte Menpower hier haben. Aber wo wir können, helfen wir.

epd: Welche Bedeutung hat diese Umrüstung in Ihrem Haus?

Grams: Eine sehr, sehr wichtige. Das war schon im zurückliegenden Jahr so. Und das wird, so wage ich mal zu behaupten, mindestens auch in den nächsten zwei Jahren so sein. Das ist das größte Thema, das man im Kontext des Wareneinkaufs sehen kann. Hier gibt einen richtigen Hype, sicher auch ausgelöst über die Förderung von Bund und Ländern beim Kauf von Stromfahrzeugen. Auch die Beratung, die ja ebenfalls mit staatlichem Geld gefördert wird, wollen wir weiter ausbauen.

epd: Gibt es auch Anfragen über den Rahmen der örtlichen Paderborner Caritas hinaus?

Grams: Ja. Inzwischen erreichen uns auch Anfragen von Caritas-Gremien oder einzelnen Ortsvereinen weit über die Bistumsgrenze hinaus. Wir schicken niemanden nach Hause, wenn er bei uns schon mal vorstellig geworden ist. Denn es ist eigentlich egal, ob wir ein Fahrzeug nach Hamburg, München oder Berlin ausliefern lassen. Das war übrigens bei den im Herbst übernommenen 165 E-Smarts auch so. Die gingen auch nicht alle nach Paderborn, sondern etwa nach Aachen, Duisburg oder Bochum.

epd: Wie geht der geplante Absatz weiter?

Grams: Wir haben jetzt deutlich bessere Möglichkeiten, vor allem wegen der breiteren Palette an Modellen, die wir prüfen und dann auch bereitstellen können. Seit dem Jahreswechsel haben schon weitere Autokontingente vorgeblockt. Es sind auch weitere neue Kunden dabei. Unser Ziel ist es, 300 Autos im Jahr zu vermitteln. Das werden wir, Stand heute, in diesem Jahr spielend schaffen. Vielleicht werden es auch 400, wenn alles gut läuft.

epd: Stichwort Modelle. Das sind alles Serienautos, die Sie vermitteln?

Grams: Das sind alles "normale" Modelle. Nach dem Smart ist jetzt auch der VW e-up zu haben. Man kann bei uns aber nicht individuell konfigurieren. Wir bestellen ein bestimmtes Modell in möglichst hoher Stückzahl. Bei der Farbwahl gibt es manchmal ein oder zwei Optionen, ähnliches gilt für die Ausstattung, das war es dann auch schon. Die äußere Optik mit Dekor und Beschriftung ist natürlich frei wählbar.

epd: Wie lange wird es dauern, bis die Flotten komplett elektrisch betrieben werden?

Grams: Das kann ich kaum vorhersagen, denn ich habe nur einen direkten Einblick in unsere Organisationen hier vor Ort in Paderborn. Wir haben im Erzbistum insgesamt unter dem Label Caritas wohl rund 4.000 Verbrennerautos im Einsatz. Wir drücken bei der Umrüstung auf die Tube, aber nicht jede Einrichtung kann das Tempo wirklich deutlich erhöhen. Unser Verband hat hier in Paderborn eine Flotte von etwa 180 Fahrzeugen im Pflegebereich, und die wollen in drei Jahren keine Verbrenner mehr fahren. Das ist ambitioniert, aber ich halte das für möglich.

epd: Wir haben bisher nur über die Pflegedienste gesprochen. Was ist aber mit Dienstwagen für Leitungskräfte oder auch andere Dienste, die spezielle Autos für ihren Service brauchen, wie etwa Essen auf Rädern?

Grams: Hier kommen wir nur mäßig voran, aber auch in diesen Einsatzfelder sind wir schon tätig. Elektrisch angetriebene Mittelklassewagen für Vorstände oder Abteilungsleiter zu beschaffen, ist überhaupt kein Problem. Auch hier gibt es ein langsam wachsendes Interesse. Wir können aber auch für andere Nutzungen bestimmte Autos vermitteln. So etwa den StreetScooter, den auch die Post fährt, der für Lieferdienste gut geeignet ist. Aber unter dem Strich ist hier weit weniger Bewegung drin.

epd: Was gibt den Ausschlag für die Umrüstung, der wirtschaftlicher Betrieb oder der Bonus, ein grünes Image zu haben?

Grams: Ich denke, aktiv etwas für die Umwelt tun zu wollen, ist der Hauptgedanke hinter dem Wunsch nach Elektromobilität. Viele Träger, aber auch die eigenen Mitarbeiter, wollen was tun gegen den Klimawandel. Bislang war aber ein Hindernis, dass viele Interessenten diesen Betrieb für zu teuer, ja unwirtschaftlich hielten. Diese Bedenken räumen wir aus in den Beratungen.

epd: Sind die Reichweiten der Wagen so, dass ihr Einsatz auch in ländlichen Gebieten mit größeren Distanzen problemlos möglich ist?

Grams: Noch im vergangen Jahr wäre das schwierig geworden. Die Smarts waren das einzig verfügbare Produkt. Und die sind wirklich nur einsetzbar in größeren Städten, wo die die Kunden nahe beieinander wohnen. Hier müssen die Autos nur 30 bis 40 Kilometer am Tag fahren, das geht mit einer Aufladung. Im ländlichen Raum, wo schon mal bis zu 200 Kilometer Fahrtstrecke nötig sind, hätte das nicht funktioniert. Doch das wird jetzt besser. Wir haben mehr Autos zu Auswahl, die Reichweiten wachsen. Vielleicht braucht man hier noch etwas Geduld.

epd: Für viele Interessenten sind ist die zwingend nötige Ladeinfrastruktur ein Hemmnis. Was ist dazu zu sagen?

Grams: Auch für den Bau Ladestationen gibt es Zuschüsse, auch hier noch mal extra vom Land. Zu den Kosten der Ladepunkte kann man keine genauen Angaben machen, weil das immer von der jeweiligen Gebäudebeschaffenheit abhängt. Also davon, ob man größere Tiefbauarbeiten braucht und zig Wände durchbohren muss. Sind es denkmalgeschützte Gebäuden, dann werden die Arbeiten teurer. Wichtig zu bedenken ist auch: Sollen die Mitarbeiter ihre Autos auch zu Hause laden können? Für all diese Fragen suchen wir passgenaue Lösungen, auch im direkten Zusammenspiel mit der örtlichen Energieversorgern. Durchschnittlich muss man aber pro Ladepunkt sicher zwischen 2.000 und 2.500 Euro kalkulieren.

epd: Ist die staatliche Förderung hoch genug oder käme noch mehr Tempo in die Umrüstung, wenn die Sozialbranche eine höhere Forderung abrufen könnte?

Grams: Nein, das glaube ich nicht. Ich finde, die bestehende Förderung ist als Anreiz ausreichend. Dadurch sowie durch unsere Verhandlungen mit den Lieferanten lassen sich Leasingraten erreichen, die für jeden unserer Kunden sehr wirtschaftlich sind. Wir merken dies ja in der kontinuierlichen Nachfrage nach unserer Beratung und Vermittlung von Lösungen. Wo sicher mehr möglich wäre, das ist im Bereich der Infrastruktur. Da können bei größeren Zahlen an Ladepunkten schnell 50.000 Euro und mehr zusammenkommen. Das sind Summen, die die Träger erst mal stemmen müssen, die sich aber auch rechnen werden, wenn sie mehrere Jahre genutzt werden. Kommunen und kommunale Unternehmen werden hier in Nordrhein-Westfalen beim Bau von Ladestationen mit 90 Prozent gefördert, das gilt für die Sozialbranche aber nicht. Hier gibt es nur 50 Prozent Förderung der Investitionssummen. Das sollte man ändern, dann hätte man dieses Problem auch vom Tisch.



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