sozial-Recht

Bundesverfassungsgericht

Kein Grundrecht auf Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen



Die im Grundgesetz garantierte Koalitionsfreiheit von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden beinhaltet kein Grundrecht auf Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen. Ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf eine entsprechende wirksame Anerkennung durch das Bundesarbeitsministeriums besteht nicht, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am 5. Februar veröffentlichten Beschluss.

Konkret ging es um die Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes (SOKA-BAU). Sie regeln den Urlaubsausgleich und die Zusatzversorgung für das Alter, die allein von den Arbeitgebern finanziert werden. Mit den Umlagebeiträgen wird sichergestellt, dass die oft nur kurzfristig beschäftigten Bauarbeiter trotzdem ihren Urlaub nehmen können, ohne dass ein einzelner Arbeitgeber allein mit der Lohnfortzahlung belastet wird.

Sozialkassentarif sollte bindend für alle sein

So hatten die Gewerkschaft IG Bau und der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie einen Sozialkassentarif vereinbart, mit dem Ziel, dass der vom Bundesarbeitsministerium als allgemeinverbindlich erklärt wird. In diesem Fall müssen nicht nur die tarifgebundenen Firmen, sondern alle Baufirmen Beiträge in die Sozialkasse zahlen.

Für die Jahre 2008 bis 2014 hatte allerdings das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Allgemeinverbindlicherklärungen überwiegend wegen formaler Fehler des Bundesarbeitsministeriums für unwirksam erklärt (unter anderem Urteile vom 21. September 2016, Az.: 10 ABR 33/15 und 10 ABR 48/15).

IG BAU und Bauwirtschaft klagten

Die IG BAU und die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft wollten das jedoch nicht akzeptieren. Sie verwiesen auf die im Grundgesetz geschützte Koalitionsfreiheit für Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. Diese umfasse auch den Anspruch, dass die Sozialkassentarifverträge - so wie von den Tarifparteien vorgesehen - für allgemeinverbindlich erklärt werden.

Doch die Koalitions- und Tariffreiheit beinhaltet nach Ansicht der Karlsruher Richter kein Grundrecht auf Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen. Diese garantiere Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften nur, dass sie selbst die Chance haben, "durch ihre Tätigkeit die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen" zu wahren und fördern. Ein Anspruch auf eine wirksame Allgemeinverbindlicherklärung durch das Bundesarbeitsministerium sei damit aber nicht umfasst, so das Gericht.

Az.: 1 BvR 4/17