sozial-Politik

Sucht

Betäubungsmittelgesetz blockiert "Drug Checking"




Drogen im Kriminaltechnischen Institut des LKA Berlin
epd-bild/Jürgen Blume
Experten sind überzeugt: Drug Checking, die chemische Untersuchung von illegalen Drogen, kann Konsumenten schützen. Noch ist das Verfahren in Deutschland gesetzlich verboten, aber es gibt Zeichen, dass das nicht auf Dauer so bleibt.

"Du kannst deine Substanz immer montags von 17.30 Uhr bis 20.30 Uhr oder nach telefonischer Vereinbarung in der Drogenarbeit Z6 abgeben. Eine vorherige Anmeldung ist nicht erforderlich. Bei deinem ersten Besuch findet ein vertrauliches Infogespräch statt." So wirbt die Drogenarbeit Z6 im österreichischen Innsbruck im Internet für ihr Angebot der Drogenuntersuchung (Drug Checking). Noch ist ein solcher Service, gefährliche Stoffe und Beimischungen aufspüren zu lassen, in Deutschland verboten. Doch in die Debatte kommt Bewegung - auch wenn die CDU zu Plänen der Legalisierung weiter auf Distanz bleibt.

Das ist auch der seit September im Amt weilenden Drogenbeauftragte Daniela Ludwig (CSU) zu verdanken. Sie war jüngst in Innsbruck bei Z6 zu Besuch und scheint vom Gesehenen beeindruckt zu sein. Denn jetzt will Ludwig prüfen lassen, ob und wie solche Präventionsangebote auch hierzulande erlaubt werden können.

Erstes Treffen der Beteiligten

Im Februar findet dazu auf ihre Einladung ein Treffen von möglichen Projektträgern und Initiativen der Suchtprävention in Berlin statt. Ziel sei es, so eine Sprecherin, einen gemeinsamen Weg zu finden, wie solche Angebote der Kommunen rechtssicher möglich seien. Noch wisse aber niemand, "wie dieser Prozess ausgeht".

Denn in Deutschland steht der Einführung des Drug Checkings das Betäubungsmittelgesetz im Weg. Danach dürfen Betäubungsmittel weder angebaut, hergestellt, eingeführt, vertrieben oder abgegeben werden. Und: Auch der Umgang mit Drogen zwecks chemischer Untersuchung von Substanzen wie Cannabis, Ecstasy oder Amphetamine ist untersagt.

Deshalb scheiterte auch ein erstes Projekt Mitte der 90er Jahre in Berlin. Dort hatte der Verein "Eve & Rave" Drug Checking in Technoclubs und auf Partys angeboten. Das Aus kam, nachdem gegen drei Mitglieder der Initiative wegen "unbefugten Umgangs mit Betäubungsmitteln" strafrechtlich ermittelt und ein Verfahren eingeleitet worden war.

Experten: Tests haben mehrere Vorteile

Für viele Experten liegen die Vorteile der Drogentests indes auf der Hand. In den staatlich überwachten Laboren ist es möglich, von Konsumenten abgegebene besonders gefährliche und unerwartete Stoffe und Beimischungen (Streckmittel), hohe Dosierungen sowie neu auf dem Markt erschienene Substanzen aufzudecken und schnell Warnungen zu veröffentlichen.

Peter Raiser, stellvertretender Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle Sucht, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Drug Checking kann dazu beitragen, dass Menschen, die illegale Drogen konsumieren, ihre zusätzlichen Gesundheitsrisiken, die durch Beimengungen oder Verunreinigungen entstehen, reduzieren können." Das gelte vor allem vor dem Hintergrund, dass damit Klienten erreicht würden, die nicht in die klassischen Suchtberatungen kommen.

Wie funktioniert das Projekt in Innsbruck? "Bei Pulver oder Kristallen wird eine kleine Menge (ca. 20 mg) für die Testung benötigt. Bei LSD benötigen wir einen ganzen 'Trip' oder einen Tropfen auf Löschpapier oder Zuckerwürfel", heißt es auf der Homepage. Die Tests übernehmen Mitarbeiter der örtlichen Rechtsmedizin.

Eigenen Konsum hinterfragen

Der Träger "Drogenarbeit Z6" ist überzeugt, eine wertvolle Hilfe anzubieten: Die Klienten müssten sich kritisch mit dem eigenen Konsum auseinandersetzen. Und im zwingend vorgeschriebenen Infogesprächs sei es möglich, sich selbstständig über Risiken und schützende Faktoren zu informieren.

Was in Deutschland noch nicht existiert, ist in Österreich, Spanien und den Niederlanden seit langem etabliert. Vorreiter war die Schweiz, wo dieses Beratungsangebot bereits seit 20 Jahren gesetzlich erlaubt ist.

Welches Ausmaß der Konsum von Partydrogen hat, zeigte eine Studie unter Clubbesuchern in Berlin im Jahr 2018. Mehr als die Hälfte (62,3 Prozent) der Befragten hatte nach eigenen Angaben im zurückliegenden Monat Cannabis konsumiert, die Hälfte Amphetamin (50,3) und Ecstasy (49,1). Es folgen Kokain und Ketamin bei rund einem Drittel (36 bzw. 32,2 Prozent). Befragt nach Präventionsangeboten wünschte sich die mit Abstand größte Gruppe (55 Prozent) mehr Beratung und Aufklärung.

Hessen fordert Gesetzesänderung

Auch der hessische Sozialminister Kai Klose (Grüne) will das Drug Checking einführen. "Das Ziel ist, Abhängigkeiten und gefährliche Konsumhandlungen zu verhindern sowie die Häufigkeit des Konsums solcher Substanzen zu reduzieren." Bisher seien Anträge der Hochschule Koblenz, die einen derartigen Versuch in Abstimmung mit dem Wiesbadener Sozialministerium starten wollte, mehrfach vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte abgelehnt worden.

Durch eine Änderung im Betäubungsmittelrecht könnte der Bund laut Klose den Ländern die Möglichkeit einräumen, die Voraussetzungen für die Genehmigung von Drug-Checking-Projekten per Rechtsverordnung zu regeln. Ein solches Vorgehen habe es bereits bei der Einrichtung von Räumen für den Drogenkonsum gegeben. "Drug Checking ist eine wichtige und sinnvolle Maßnahme der Gesundheitsvorsorge", sagt der Grünen-Politiker. Im Fokus stünden Konsumenten von Partydrogen.

Das sieht man auch in Thüringen so. In Erfurt soll das Modellprojekt "SubCheck" starten. Problem auch hier: "Bevor eine laborgestützte Analyse von Substanzen möglich ist, muss der rechtliche Rahmen abschließend geklärt werden und gesichert sein. Insbesondere bedarf es der Zustimmung des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte zu dem Vorhaben", heißt es in einer Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage der CDU.

Berlin regelt letzte Details

In der Hauptstadt Berlin sind die Vorbereitungen des Drug Checkings weitgehend abgeschlossen. Dennoch kann auf Anfrage des epd ein Starttermin des Angebotes noch nicht genannt werden. "Um eine zügige Umsetzung zu realisieren, befinden wir uns jetzt in den letzten Detailabstimmungen mit den relevanten Stellen. Derzeit laufen vor allem Absprachen mit einem möglichen Testlabor", teilte Lena Högemann, Sprecherin des Gesundheitssenats, mit.

Konflikte mit dem Betäubungsmittelgesetz sehe man nicht. Högemann verweist auf ein Gutachten von Cornelius Nestler, Professor für Strafrecht an der Universität Köln. Der kam zu dem Schluss, dass das Berliner Konzept für das Drug Checking legal ist und sich die Mitarbeitenden der Einrichtungen des Drug Checkings nicht strafbar machen.

Mit dem Projekt ließen sich auch wissenschaftlich basierte Erkenntnisse über das Konsumverhalten und den Drogenmarkt gewinnen. "Wir gehen davon aus, Menschen zu erreichen, die von den bisherigen Drogenberatungsangeboten nicht erreicht werden." Berlin will handeln und das im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag vereinbarte Drug Checking möglichst zügig starten. "Wir haben für 2020/2021 Mittel im neuen Doppelhaushalt eingestellt", so die Sprecherin.

Der CDU-Gesundheitspolitiker Alexander Krauß bekräftigte dagegen die Ablehnung des Drug Checkings. "Aufgabe des Staates kann es nicht sein, strafbare Handlungen indirekt zu befördern", sagte Krauß. Erst recht nicht sei es die Aufgabe des Staates, dafür auch noch Steuergelder auszugeben. Dass der Staat für solche Tests bezahle sei eine hirnrissige Idee. "Es geht nicht darum, dass man sich möglichst gepflegt die Gesundheit ruiniert - es geht darum, dass man sich die Gesundheit überhaupt nicht ruiniert."

Dirk Baas