Berlin (epd). In Deutschland wird jeder dritte Wohnungssuchende mit Migrationshintergrund auf dem Wohnungsmarkt diskriminiert. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die am 29. Januar in Berlin vorgestellt wurde. Der kommissarische Leiter der Behörde, Bernhard Franke, sprach sich für eine Gesetzesänderung aus, um Diskriminierung zu vermeiden. Ausnahmeregelungen im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) seien offen für Missbrauch und könnten Rechtfertigungen für rassistische Diskriminierungen bieten, sagte er.
Laut einem Rechtsgutachten des Bonner Juraprofessors Gregor Thüsing im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle verstoßen die Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot gegen Europarecht und sind EU-weit einzigartig. Zuletzt war Mitte Januar in Berlin ein großes Wohnungsunternehmen wegen Diskriminierung eines türkeistämmigen Bewerbers bei der Wohnungsvergabe von einem Gericht zu einer Entschädigung in Höhe von 3.000 Euro verurteilt worden.
Franke sagte: "Oft reicht schon ein fremd klingender Name aus, um gar nicht erst zur Wohnungsbesichtigung eingeladen zu werden." Laut Umfrage machten rund 15 Prozent aller Befragten, die in den vergangenen zehn Jahren auf Wohnungssuche waren, Diskriminierungserfahrungen aus rassistischen Gründen, wegen der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe oder der Herkunft aus einem anderen Land.
Besonders betroffen waren Menschen mit Migrationshintergrund (35 Prozent). Die Studie beruht auf einer telefonischen Befragung von 1.041 zufällig ausgewählten deutschsprachigen Personen ab 16 Jahren in Privathaushalten in der zweiten Oktoberhälfte 2019.
Dabei kam heraus, dass fast zwei Drittel der von Diskriminierung Betroffenen (64 Prozent), in der Folge keine Beratung eingeholt oder den Vorfall gemeldet haben. Deutlich wurde auch, dass knapp die Hälfte (47 Prozent) das gesetzliche Diskriminierungsverbot gar nicht kennt. Vier von fünf Befragten (83 Prozent) waren der Ansicht, dass Diskriminierungen bei der Wohnungssuche eher häufig vorkommen. Zugleich hatten 29 Prozent der Befragten nach eigenen Angaben große oder sehr große Bedenken gegenüber Einwanderern als Nachbarn, bei potenziellen Vermietern sogar 41 Prozent.
Franke empfahl "rechtliche Schlupflöcher" zu schließen. So gelte das Diskriminierungsverbot im AGG bislang nicht, wenn ein besonderes "Nähe- oder Vertrauensverhältnis" eingegangen werde, etwa bei Nutzung von Wohnraum auf demselben Grundstück. Diese Regelung war den Angaben nach besonders für kleine Vermieter in das Gesetz eingefügt worden und ließ den Diskriminierungsschutz hinter den Schutz der Privatsphäre zurücktreten. Künftig müssten an diese Regelung hohe Anforderungen gestellt werden, hieß es.
Außerdem dürften laut AGG Wohnungsbaugesellschaften zur Vermeidung sogenannter Ghettobildung Wohnungssuchende unterschiedlich behandeln. Gutachter Thüsing sagte, dies sei zwar ein legitimes Interesse, sollte aber künftig nur noch gelten, um bislang diskriminierte Gruppen besser zu stellen. Franke betonte, die Ausnahmeregelungen böten bislang die Gefahr des Missbrauchs und könnten Rechtfertigungen für rassistische Diskriminierungen bieten.
Die Diakonie nannte das Ergebnis der Umfrage erschreckend: "Rassismus hat viele Gründe, aber nie eine Rechtfertigung", sagte Präsident Ulrich Lilie in Berlin. Bezahlbarer Wohnraum sei "eine der zentralen Fragen unserer Zeit", der Wohnungsbau gehöre deshalb "ganz oben auf die politische Agenda".
Für den Paritätische Wohlfahrtsverband kommen die Ergebnisse der Studie wenig überraschend. Der Verband forderte eine Aufklärungskampagne zur Rechtslage und den Ausbau örtlicher Antidiskriminierungsstellen.
Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, sagte, Vorbehalte und auch offener Rassismus seien leider weit verbreitet. Auch das belege die Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes: 41 Prozent hätten Bedenken, eine eigene Wohnung an Menschen mit Migrationshintergrund zu vermieten.
Schneider machte darauf aufmerksam, dass Diskriminierung bei der Wohnungsvermietung bereits seit längerem rechtlich untersagt ist. Das Antidiskriminierungsgesetz sehe für solche Fälle Schadensersatz und Schmerzensgeld vor: "Das Problem ist allerdings, dass davon kaum jemand weiß."