Berlin (epd). Auf diese Erhöhung hat sich die Pflegekommission aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern einstimmig geeinigt. Der Beschluss stieß in der Branche fast durchweg auf Zustimmung. Die Angleichung der regional unterschiedlichen Pflegemindestlöhne werde zum 1. September 2021 endgültig vollzogen, teilte das Bundesarbeitsministerium am 28. Januar in Berlin mit. Erstmals wurden auch Mindestlöhne für Fachkräfte und angelernte Pflegekräfte festgelegt.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) begrüßte die Empfehlungen der Kommission, die per Verordnung erlassen werden sollen. Der Kommission gehören Vertreter der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite der privaten, öffentlich-rechtlichen und kirchlichen Pflegeeinrichtungen an. Der Mindestlohn für die Branche wurde 2010 eingeführt. In Einrichtungen, die unter den Pflegemindestlohn fallen, arbeiten nach Ministeriumsangaben derzeit rund 1,2 Millionen Beschäftigte.
Die Pflegekommission habe zum ersten Mal auch einen Pflegemindestlohn für qualifizierte Pflegehilfskräfte und für Pflegefachkräfte festgelegt, teilte das Ministerium mit. Ab dem 1. April 2021 soll für qualifizierte Pflegehilfskräfte im Osten ein Mindestlohn in Höhe von 12,20 Euro pro Stunde und im Westen in Höhe von 12,50 Euro pro Stunde eingeführt werden. Die Ost-West Angleichung soll zum 1. September 2021 auf einheitlich 12,50 Euro pro Stunde vollzogen werden. Ab 1. April 2022 soll der Mindestlohn für qualifizierte Pflegekräfte auf 13,20 Euro pro Stunde steigen.
Zum 1. Juli 2021 soll für Pflegefachkräfte ein einheitlicher Mindestlohn in Höhe von 15,00 Euro pro Stunde eingeführt werden. Ab 1. April 2022 soll der Mindestlohn für Pflegefachkräfte auf 15,40 Euro pro Stunde steigen.
Arbeitsminister Heil bezeichnete die Empfehlungen der Pflegekommission als "ersten, wichtigen Schritt hin zu einer besseren Entlohnung der Beschäftigten in der Pflegebranche". Das Ergebnis bereite den Weg, die unterschiedlichen Pflegemindestlöhne in Ost- und Westdeutschland zu überwinden und zu einem einheitlichen, bundesweit geltenden Mindestlohn zu kommen.
"Dennoch ist mein Ziel noch nicht erreicht", erklärte Heil. Der bessere Weg zu Verbesserungen für die Beschäftigten in der Pflege sei ein Branchentarifvertrag, den er für allgemeinverbindlich erklären könne. "Die Tarifpartner sind hier in der Verantwortung, ihre laufenden Verhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen", erklärte der Minister.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betonte, die neuen Mindestlöhne seien nur eine Untergrenze: "Viele Arbeitgeber werden im Wettbewerb um Fachkräfte, ihren Mitarbeitern deutlich mehr zahlen müssen.".
"Ein Mindestlohn kann und soll keine tarifvertragliche Regelung ersetzen", sagte Christel Bienstein, Präsidentin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe. Das vorliegende Ergebnis sei angesichts der dramatischen Personalengpässe in der Pflege und dem anstehenden zusätzlichen Personalbedarf ein eindeutig zu schwaches und damit falsches Signal an alle beruflich Pflegenden im Land. "Ein Lohn von 15 Euro pro Stunde setzt auf keinen Fall die notwendigen Anreize, um den Pflegeberuf zu wählen und einen Arbeitsvertrag zu unterschreiben." Wer gute Pflegefachpersonen rekrutieren und binden wolle, müsse hier noch deutlich drauflegen, forderte Bienstein.
Auch werde der Unterschied in der Bezahlung von angelernten und vollausgebildeten Kräften nicht ausreichend honoriert. "Ein Unterschied von 2,50 Euro pro Stunde reicht da keineswegs."
Für den Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) sagte Präsident Bernd Meurer: "Die Kommission sendet auch ein wichtiges Zeichen an die Altenpflege in den neuen Bundesländern. Ab September 2021 gilt der Mindestlohn für ungelernte Hilfskräfte in der Altenpflege in Ost und West gemeinsam in Höhe von 12,00 Euro und steigt sogar bis April 2022 auf 12,55 Euro." Das Ergebnis, das zügig verhandelt und erzielt wurde, mache deutlich, dass nun ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag nicht mehr nötig ist. "Diese Einigung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zeigt, dass die Beteiligten selbst die Mindestarbeitsbedingungen in der Pflege regeln können, es braucht dazu die Politik nicht."
Die Gewerkschaft ver.di sieht das anders. Sie sprach von deutlichen Verbesserungen gegenüber den bisherigen Regelungen. Ein bundesweiter Tarifvertrag zu Mindestarbeitsbedingungen in der Altenpflege bleibe jedoch weiterhin das Ziel, sagte Vorstand Sylvia Bühler.
"Wir haben langjährig erhobene Forderungen durchsetzen können, etwa das Mindestentgelt für Fachkräfte und einen Urlaubsanspruch über den gesetzlichen Anspruch hinaus. Die neuen Regelungen werden für Pflegekräfte insbesondere in den neuen Ländern und bei kommerziellen Anbietern zu deutlichen Verbesserungen führen", betonte Bühler. Um den Pflegenotstand zu beseitigen, brauche es aber weitergehende Lösungen. Dazu gehört auch ein bundesweiter Tarifvertrag zu Mindestbedingungen in der Altenpflege, der vom Bundesarbeitsminister auf die gesamte Altenpflege erstreckt wird.
Die Diakonie sprach von einem vernünftigen Kompromiss. "Ziel muss es sein, auch in Zukunft, die Pflege zu stärken und den Pflegeberuf finanziell und gesellschaftlich aufzuwerten", sagte Vorstand Maria Loheide.
Ab April beziehungsweise Juli 2021 werden nach ihren Angaben darüber hinaus die Pflegemindestentgelte abhängig von der Qualifikation gestaffelt. So erhalten ab dem 1. April 2021 Hilfskräfte mit einjähriger Ausbildung erstmalig einen Pflegemindestlohn in Höhe von 12,20 Euro in den östlichen Bundesländern und 12,50 Euro in den westlichen Bundesländern, während sich zum selben Zeitpunkt für Hilfskräfte ohne Ausbildung der Mindestlohn auf 11,50 Euro (Ost) beziehungsweise 11,80 Euro (West) erhöht. Für Pflegefachkräfte wird ab dem 1. Juli 2021 ein bundeseinheitlicher Mindestlohn in Höhe von 15,00 Euro eingeführt.
Für Pflegekräfte in der Diakonie hätten die Ergebnisse der Pflegekommission keine direkten Auswirkungen, so Loheide. Die Entgelte in den diakonischen Tarifwerken lägen zum Teil deutlich über den vereinbarten Vergütungen.
Bodo de Vries, Vorsitzender des Deutschen Evangelischen Verbandes für Altenarbeit und Pflege, begrüßte ebenfalls den Beschluss: "Die heute vereinbarten Werte spiegeln das politische Ziel wider, die Pflege - auch bei den Vergütungen - aufzuwerten. Damit rückt die Umsetzung der Konzertierten Aktion Pflege ein Stück näher."
Thomas Sopp, der als Dienstgebervertreter für die Arbeitsrechtliche Kommission der Diakonie Deutschland an den Verhandlungen teilnahm, sagte, besonders Pflegekräfte in den östlichen Bundesländern würden durch eine Angleichung der Vergütungen profitieren. Wünschenswert wäre allerdings gewesen, in einigen finanzstarken Regionen höhere Stundenentgelte vorzugeben. "Eine regionale Differenzierung, die die unterschiedlichen wirtschaftlichen Situationen ebenso wie die diversen Refinanzierungswege berücksichtigt, war jedoch leider nicht mehrheitsfähig."
"Endlich spiegelt sich nun auch im Mindestlohn wider, dass sich eine Ausbildung zur Pflegefachkraft lohnt", sagte Norbert Altmann, Mitglied der Kommission für die Dienstgeberseite der Caritas. Für diese werde nun ein Mindestentgelt von monatlich rund 2.600 Euro festgeschrieben. "Pflege ist mehr als nur ein Job und zentral für unsere älter werdende Gesellschaft. Deshalb wird die Caritas auch weiterhin deutlich mehr für ihre Mitarbeitenden in der Pflegebranche bezahlen." Bedingung hierfür sei jedoch weiterhin die Sicherung der Refinanzierung aller tariflichen Entgelte.
Scharfe Kritik kam hingegen von der Pflegekammer Niedersachsen. "15 Euro Mindestlohn für Pflegefachpersonen sind ein Witz", sagte Sandra Mehmecke, Präsidentin der Pflegekammer. Sie forderte langfristig ein Bruttogehalt von mindestens 4.000 Euro im Monat für alle Pflegefachpersonen in Vollzeit – egal in welchem Bereich sie tätig sind: "Die Pflege braucht keine kümmerlichen Mindestlöhne, sondern eine flächendeckende gute tarifvertragliche Bezahlung."