

Rostock (epd). Die Rostocker Richter erklärten in einem am 18. Dezember 2019 den Verfahrensbeteiligten zugestellten Urteil die fristlose Kündigung einer heute 58-jährigen Pflegehilfskraft zwar für unwirksam, billigten aber die von ihrem Arbeitgeber ebenfalls hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung.
Die Frau arbeitete seit rund 25 Jahren in einem Alten- und Pflegeheim. Davon wurde sie 15 Jahre zur Betreuung demenzkranker Bewohner eingesetzt. Der Arbeitgeber betreibt bundesweit rund 100 Pflege- und Senioreneinrichtungen.
Zu den von der Pflegerin betreuten Personen gehörte auch ein heute 75-jähriger hochgradig dementer Mann. Der Demenzkranke, ein früherer DDR-Grenzsoldat mit Nahkampfausbildung, zeigte sich von Anfang an sehr distanziert und ließ Körperberührungen nur ungern zu.
Wegen seines Widerstandes gegen die Körperreinigung mussten Ganzkörper- und Intimwäsche, Zahnpflege und auch die Rasur unterbleiben. Laut Pflegedokumentation hatten sich in der Vergangenheit auch Mitbewohner über den Geruch des Kranken beschwert. Als der Mann sich wieder mehrere Tage nicht waschen ließ und sich zuletzt auch noch eingenässt hatte, schritt die Pflegehilfskraft im Januar 2017 zur Tat.
Sie konnte den Demenzkranken anfangs noch überreden, sich zum Duschen und für eine Rasur auf einen Duschstuhl zu setzen. Als es ans Einseifen ging, wehrte sich der Mann nach Kräften und schrie. Er trat einem zu Hilfe eilenden Pfleger in die Genitalien. Die Pflegehilfskraft hielt daraufhin die Hände des Demenzkranken fest, so dass ihn der Pfleger zwangsweise duschen konnte. Im Zuge des Zwangsduschens schlug der Pfleger dem Demenzkranken mit der flachen Hand ins Gesicht. Als der Vorgang bekanntwurde, wurden die Frau und ein beteiligter Pfleger vom Dienst suspendiert.
Der Vorfall hatte weitere arbeitsrechtliche Konsequenzen. So wurde der Klägerin fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt. Verweigere sich ein Bewohner einer ausreichenden Hygiene, sei vorgeschrieben, dass das lediglich in der Pflegedokumentation vermerkt werde. Die Pflegehilfskraft habe gewusst, dass sie keinen - wenn auch zur Einhaltung einer Körperhygiene gut gemeinten - körperlichen Zwang ausüben dürfe.
Das LAG urteilte, dass die fristlose Kündigung unwirksam, die ordentliche Kündigung jedoch wirksam sei. Grundsätzlich könne aber eine körperliche Misshandlung von Heimbewohnern auch eine fristlose Kündigung rechtfertigen.
Selbst wenn eine Körperpflege aus hygienischen Gründen geboten war: "Der gut gemeinte Zweck rechtfertigt nicht das Mittel der Anwendung von Zwang", urteilten die Rostocker Richter. Dieser dürfe kein "Erziehungsmittel" sein, um Menschen mit fehlender Einsichtsfähigkeit zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen. Über notwendige Ausnahmen dürften nur die zuständigen Ärzte, Betreuer und staatlichen Institutionen entscheiden.
Das Zwangsduschen habe den Patienten in seinem Selbstbestimmungsrecht verletzt. Die Klägerin habe auch gewusst, dass sie solch einen Zwang nicht ausüben durfte. Der Schweregrad dieser Misshandlung rechtfertige hier daher nur eine ordentliche und nicht die fristlose Kündigung.
Eine Abmahnung und mögliche Weiterbeschäftigung der Frau sei dem Heimträger aber nicht zuzumuten, befand das Gericht. Dieser müsse sicherstellen, dass gegenüber den Heimbewohnern weder offen noch verdeckt in irgendeiner Form Gewalt und Zwang ausgeübt wird. Die Klägerin habe sich zudem von ihrem Verhalten auch nicht distanziert, rügte das LAG.
Az.: 5 Sa 97/19