

Leipzig (epd). Eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis für nachhaltig integrierte, geduldete Ausländer setzt nicht zwingend eine vorherige Mindestduldungszeit von acht Jahren voraus. Auch andere legale Voraufenthaltszeiten, in denen der Ausländer aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht abgeschoben werden konnte, können die Achtjahresfrist für den Erhalt einer humanitären Aufenthaltserlaubnis erfüllen, urteilte am 18. Dezember 2019 das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.
Mit einer ab August 2015 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuregelung wollte der Gesetzgeber die nachhaltige Integration von Ausländern mit einer humanitären Aufenthaltserlaubnis belohnen. Voraussetzung hierfür ist, dass sich der Antragsteller seit mindestens acht Jahren, Eltern minderjähriger Kinder seit mindestens sechs Jahren, "ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten haben".
Im entschiedenen Rechtsstreit wollte auch eine Chinesin davon profitieren. 2003 war sie im Wege der Familienzusammenführung zu ihrem Ehemann nach Deutschland gereist. Nach der Scheidung 2007 erhielt sie eine Aufenthaltserlaubnis. Diese konnte aber nicht verlängert werden, weil sie vorübergehend keinen gültigen chinesischen Reisepass hatte.
Sie wurde daraufhin von den deutschen Behörden geduldet. Ihren Antrag auf eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis wurde jedoch abgelehnt, weil sie nicht ununterbrochen acht Jahre geduldet worden sei.
Das Bundesverwaltungsgericht gab der Klägerin jedoch dem Grunde nach recht. Die Frau sei im Zeitpunkt der Entscheidung der Vorinstanz eine "geduldete Ausländerin" gewesen. Für die Zeit davor stünden die im Gesetz genannten Rechtsgrundlagen des Aufenthalts (geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis) "gleichberechtigt nebeneinander". Zu berücksichtigen seien danach "alle Voraufenthaltszeiten, in denen der Ausländer aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht abgeschoben werden konnte", befanden die Richter.
Hier habe die Chinesin die Anforderungen an eine "nachhaltige Integration" durchweg erfüllt. Allerdings müsse der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg noch klären, ob ein anderweitiges öffentliches Interesse an einer Ausweisung besteht, etwa wegen einer unzureichenden Mitwirkung an der Beschaffung gültiger chinesischer Papiere.
Az.: 1 C 34.18