

Frankfurt a.M., Berlin (epd). Im Skandal um die Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Frankfurt am Main und Wiesbaden rückte die Staatsanwaltschaft mit 84 Beamten an. Beteiligt waren mehrere hessische Polizeipräsidien, das Berliner Landeskriminalamt und eigenes Personal, wie die Staatsanwaltschaft Frankfurt mitteilte. Ziel der Aktion war auch die AWO-Zentrale des Frankfurter Kreisverbands in der Henschelstraße.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach eigenen Angaben nach einer anonymen Strafanzeige zum einen wegen des Verdachtes auf Betrug beim Betrieb zweier Flüchtlingsunterkünfte durch falsch abgerechnete Personalkosten im hohen sechsstelligen Bereich zum Nachteil der Stadt Frankfurt. Zum anderen bestehe der Verdacht der Untreue von Leitungspersonen zum Nachteil der AWO. Hier gehe es unter anderem um satzungswidrige Vergütungen beziehungsweise ungerechtfertigte Honorarzahlungen.
Die Ermittlungen richteten sich gegen zwei Frauen und vier Männer im Alter zwischen 40 und 63 Jahren, die bei der AWO in Frankfurt am Main beziehungsweise Wiesbaden - teilweise in beiden Kreisverbänden gleichzeitig - zum Teil ehrenamtlich in leitenden Funktionen tätig waren. Im Zuge der Durchsuchungen seien Geschäftsunterlagen in schriftlicher und elektronischer Form sichergestellt worden. Die Auswertung sowie weitere Ermittlungen dauerten an, hieß es.
Wolfgang Stadler, Vorstandsvorsitzender des AWO Bundesverbandes, sagte in Berlin: "Die Handlungen der Staatsanwaltschaft machen die Tragweite der Vorwürfe in Frankfurt am Main und Wiesbaden deutlich. Sie zeigen auch, dass die von uns eingeleiteten internen Prüfungen der richtige Weg waren."
Er bekräftigte den Willen seines Verbandes, die Sachverhalte vollständig aufzuklären und entstandene finanzielle Schäden auszugleichen. Nur so lasse sich "ein radikale und glaubwürdige Neuanfang ermöglichen". Der Bundesverband werde die Staatsanwaltschaft vollumfänglich unterstützen. "Wir fordern auch von den Verantwortlichen vor Ort, uneingeschränkten Aufklärungswillen zu zeigen."
Die Vorwürfe reichen inzwischen noch weiter: Der Hessische Rundfunk berichtete am Montag, dass die Staatsanwaltschaft auch im Fall der Verkäufe zweier Pflegeheime aus dem Besitz der AWO Hessen-Süd in Bruchköbel und Langgöns an private Unternehmen ermittele. Auch hier stehe der Vorwurf der Untreue zum Zweck persönlicher Bereicherung im Raum, weil der damalige Generalbevollmächtigte des Bezirks zugleich Gesellschafter der Immobilienunternehmen sei. Seit den Verkäufen nutzt die Arbeiterwohlfahrt die ehemals eigenen Pflegeheime weiter, aber als Mieterin.
Hinter den Geschäften steckt laut HR ein Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, der bis Mitte 2019 Generalbevollmächtigter des Bezirksverbandes Hessen-Süd war. In beiden Fällen gingen die Heime an private Immobilienunternehmen, die der Steuerberater mit gegründet hat und zu deren Gesellschaftern er zählt.
Zu den Berichten über diese Immobiliengeschäfte erklärte Stadler, diese Vorwürfe seien dem Bundesverband bereits bekannt und schon Bestandteil eines laufenden Prüfungsverfahrens. Stadler betonte, dass bei der AWO keine sogenannte Insichgeschäfte erlaubt seien. "Der aktuelle Stand der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ist dem Bundesverband nicht bekannt."
Neben Staatsanwaltschaft und AWO Bundesverband wird laut Stadler auch die eingesetzte Task Force unter der Leitung von Ex-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) den AWO Bezirksverband Hessen Süd und dessen wirtschaftliche Tätigkeiten auf die Einhaltung rechtlicher und verbandsinterner Vorschriften prüfen.
Medien haben in den vergangenen Monaten aufgrund zugespielter Informationen über maßlos überhöhte Gehälter und Luxusdienstwagen bei den AWO-Kreisverbänden Frankfurt und Wiesbaden berichtet. Aufsehen erregten Berichte über überhöhte Gehälter für die Ehefrau des Frankfurter Oberbürgermeisters Peter Feldmann (SPD), der vor seiner Wahl AWO-Angestellter war, und für SPD-Jungpolitiker.
Medien deckten außerdem personelle Verflechtungen zwischen Leitungspersonen der beiden AWO-Kreisverbände und Beraterfirmen auf. Mehrere Leitungskräfte sind inzwischen zurückgetreten.