

Berlin (epd). Um die Überlastung der Pflegekräfte in den Krankenhäusern zu beenden, müssten 40.000 bis 80.000 zusätzliche Stellen besetzt werden. Diese Zahlen nannten die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), der Deutsche Pflegerat und die Gewerkschaft ver.di am 14. Januar in Berlin auf der Basis eines Personalbemessungsverfahrens, auf das sich die drei Verbände verständigt haben.
Sie forderten Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf, ein bundesweit einheitliches, modernes Bemessungsverfahren einzuführen, um zu verbindlichen Vorgaben für die Personalausstattung in den Kliniken zu kommen. Sylvia Bühler vom ver.di-Bundesvorstand sagte: "Wir werden keine Ruhe geben, bis die Entlastung im Alltag der Pflegekräfte angekommen ist."
Der Präsident des Pflegerats, Franz Wagner, erklärte, ein aktuelles Instrument zur Personalbemessung sei überfällig. Er räumte zugleich ein, dass es schwierig werde, genügend Pflegekräfte zu finden. Die Stimmung in der Pflege sei nicht gut. Die Mehrheit der Fachkräfte sehe die Patientensicherheit nicht mehr gewährleistet.
In den Kliniken gibt es rund 330.000 Vollzeit-Pflegestellen, aber mehr Pflegekräfte, weil viele Teilzeit arbeiten. Die Entwicklung eines reformierten Personalbemessungsverfahrens war ein Auftrag aus der Konzertierten Aktion Pflege der Bundesregierung, an der alle Akteure im Gesundheitswesen beteiligt worden waren. Eine Zusage des Bundesgesundheitsministers zur Umsetzung gebe es noch nicht, sagte der Präsident der Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß.
Das neue Verfahren würde für den Personalbedarf in der Früh- und Spätschicht gelten. Nachtdienste, Kinder- und Intensivstationen wurden zunächst nicht einbezogen. Es berücksichtigt den gestiegenen Arbeitsaufwand und würde bei einer Umsetzung dazu führen, dass mehr Pflegekräfte eingestellt werden müssten. Die Verbände erklärten, Bemessungsverfahren seien bedarfsgerechter als gesetzliche Untergrenzen für die Personalausstattung. Untergrenzen gibt es bereits in besonders pflegeintensiven Abteilungen wie etwa der Intensivmedizin oder der Herzchirurgie.
Für die Grünen erklärten Kordula Schulz-Asche, Sprecherin für Alten- und Pflegepolitik, und Maria Klein-Schmeink, Sprecherin für Gesundheitspolitik, die Bundesregierung habe es bisher verpasst, "die Pflege im Krankenhaus qualitativ aufzuwerten und deren Finanzierung mit einem bedarfsgerechten Personalbemessungsinstrument zu verknüpfen". Es stehe zwar mehr Geld für Pflegestellen zur Verfügung, offen erscheint allerdings, ob die Krankenhäuser die Mittel tatsächlich für eine bedarfsgerechte Pflege einsetzen. "Mit ihren willkürlichen Untergrenzen hat die Bundesregierung ein populistisches Ausweichmanöver gestartet und ein bürokratisches Monstrum geschaffen."
Der jetzt von den Verbänden vorgelegte Vorschlag sei eine gute Zwischenetappe bis zum Ziel, den Pflegeberuf aufzuwerten. "Es ist nun wichtig, den Dokumentationsaufwand möglichst gering zu halten und zugleich evidenzbasierte Einschätzungskriterien zu schaffen, um den pflegerischen Anteil am Leistungsvolumen von Krankenhäusern sichtbar zu machen."
Ähnlich äußerte sich auch die Linke: "Im Unterschied zum Bürokratiemonster 'Personaluntergrenze' kann die Finanzierung der Pflege mit diesem Konzept auf solide Füße gestellt werden. Dafür muss Herr Spahn jetzt handeln und das neue Instrument zur Bemessungsgrundlage für das Pflegebudget machen", sagte Vorsitzender Bernd Riexinger.
Die Pflegekammer Niedersachsen begrüßte das vorgeschlagene Instrument als Interimslösung. Sie will aber an Pflegepersonaluntergrenzen als "roter Linie" zum Schutz von Patienten und Pflegefachpersonen festhalten.
"Angesichts der Personalprobleme in den Krankenhäusern mit den daraus resultierenden Folgen für die Patientenversorgung ist es unabdingbar, nun sehr zügig per Gesetz eine verbindliche Regelung zur Personalbemessung in der Pflege zu treffen", sagte Christel Bienstein, die Präsidentin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe. Ihr Verband erwarte, dass das Bundesgesundheitsministerium seine Prüfung der Vorschläge zeitnah abschließt und dann die konsequente Umsetzung einschließlich einer Begleitforschung in den Anfangsjahren erfolgt.
Jetzt stehe eine grundlegend überarbeitete und modernisierte Fassung der seit langem bekannten und genutzten Pflegepersonalregelung (PPR) zur Verfügung, hieß es beim Deutschen Evangelischen Krankenhausverband. Im Herbst 2019 wurde sie den Angaben nach einem Machbarkeitstest unterzogen, an dem sich auch evangelische Krankenhäuser beteiligten. Dabei wurden mehr als 30.000 Datensätze aus 44 Krankenhäusern analysiert.