

Berlin (epd). Das gilt den Richtern zufolge insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber keine zumutbaren betrieblichen Umkleidemöglichkeiten bietet und der Beschäftigte sich zu Hause umziehen muss, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 21. August 2019. Die Berliner Richter bekräftigten damit die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 6. September 2017, in der die obersten Arbeitsrichter für Umkleidezeiten von Klinik- und Arztpersonal außerhalb der normalen Arbeitszeit eine Vergütungspflicht feststellten.
Im jetzt vom LAG entschiedenen Fall ging es um einen bei der Berliner Polizei angestellten Mann, der im Objektschutz eingesetzt wurde. Er bewachte Synagogen, jüdische Kindergärten oder auch die privaten Wohnungen von Politikern. Das Land Berlin schrieb ihm vor, seine Arbeit in Dienstuniform mit der Aufschrift "Polizei" und einer Schutzausrüstung zu verrichten. Außerdem sollte er eine geladene Waffe tragen.
Der Polizist konnte sich vor Ort an jeweiligen Überwachungsobjekten allerdings nicht umziehen. Weder gab es nach Geschlechtern getrennte Umkleidemöglichkeiten noch konnten die privaten Gegenstände in einem Spind weggeschlossen werden.
Deshalb zog sich der Kläger zu Hause seine Dienstkleidung an und verlangte, dass die Zeiten dafür sowie die Wegezeiten zum Einsatzort als Überstunden vergütet werden. Allein für das An- und Ausziehen von Uniform und Schutzausrüstung würden täglich 16 Minuten anfallen. Nach den tariflichen Regelungen wird eine Vergütung der Umkleidezeiten zumindest nicht ausgeschlossen.
Das LAG gab dem Kläger zum Teil recht. Das Land müsse ihm die täglichen Umkleidezeiten als Überstunden bezahlen, da es das Tragen der auffälligen Dienstkleidung vorschreibe und keine ausreichenden Umkleidemöglichkeiten zur Verfügung stelle. Der Hinweis des Landes, dass private Kleidung in einer Sporttasche gelegt werden können, sei keine "adäquate Alternative".
Das Anlegen der Uniform diene allein dem Interesse des Arbeitgebers. Solche fremdnützigen Tätigkeiten außerhalb der regulären Arbeitszeit müssten vom Arbeitgeber auch bezahlt werden. Für das An- und Ausziehen müssten schätzungsweise zehn Minuten täglich berücksichtigt werden. Da der Kläger wegen einer Schwerbehinderung etwas mehr Zeit benötige, seien bei ihm täglich zwölf Minuten Umkleidezeit als „ungeplante Überstunden“ zu vergüten. Die Wegezeiten zwischen Wohnung und Einsatzort seien ebenfalls nicht zu vergüten. Denn das Zurücklegen des Arbeitsweges diene nicht nur dem Interesse des Arbeitgebers, sondern sei auch das des Klägers.
Zwar habe das BAG am 26. Oktober 2016 noch geurteilt, dass das Zurücklegen des Weges in Uniform vor allem im Interesse des Arbeitgebers sei. Ob damit eine Vergütungspflicht einhergeht, sei aber unklar. Der Kläger hat mittlerweile gegen das Urteil Revision beim BAG eingelegt. Dort ist das Verfahren unter dem Aktenzeichen 6 AZR 659/19 anhängig.
Zu den Umkleidezeiten von Klinik- und Arztpersonal außerhalb der regulären Arbeitszeit hatte das BAG bereits entschieden, dass sie als Überstunden vergütet werden müssen. Voraussetzung hierfür sei, dass eine leicht erkennbare Dienstkleidung getragen werden müsse. Dem Verweis des Arbeitgebers, dass die Beschäftigten die weiße Kleidung ja zu Hause an- und ablegen können, sei nicht zu folgen.
Zwar sei auf der Dienstkleidung kein Logo oder Emblem des Krankenhauses aufgedruckt, dennoch handele es sich um eine "besonders auffällige" Kleidung, so das BAG im entschiedenen Fall. Denn anhand der Dienstkleidung könne der Kläger von Dritten leicht der Gesundheitsbranche zugeordnet werden. "An der Offenlegung seiner beruflichen Tätigkeit gegenüber Dritten hat der Arbeitnehmer regelmäßig kein eigenes Interesse", heißt es in dem Urteil.
Nicht zusätzlich zu vergüten seien dagegen die Zeiten für eine erforderliche Händedesinfektion. Diese sei im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit vorzunehmen.
Az.: 15 Sa 575/19 (LAG Berlin)
Az.: 5 AZR 382/16 (BAG, Umkleidezeiten)
Az.: 5 AZR 168/16 (BAG Wegezeiten in Uniform)