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Befristete Jobs: "Ausdruck der Machtverhältnisse"




Rechtliche Regelungen zu befristeten Arbeitsverhältnissen
epd-bild/Heike Lyding
Zeitlich befristete Arbeitsverhältnisse sind zum Normalfall in Deutschland geworden. Arbeitnehmer gehen sie oft ungern ein. "Unternehmen machen es, weil sie es können", klagen die einen. "Besser, als arbeitslos zu sein", sagen die anderen.

Befristete Jobs werden in offiziellen Statistiken in die sogenannten "atypischen Beschäftigungsverhältnisse" eingruppiert. Doch ist ein Zeitvertrag tatsächlich atypisch, wenn vier von zehn Neueinstellungen befristet sind, wie das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit kürzlich in einer Studie veröffentlicht hat? Der Arbeitsmarktforscher der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, Eric Seils, sieht sie als Ausdruck der "Machtverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt".

Befristungen ohne sachlichen Grund

Insgesamt gehen in Deutschland nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes 2,7 Millionen Menschen einem zeitlich befristeten Job nach und können am Ende der Frist ohne weiteres wieder entlassen werden. Damit ist jeder zwölfte Arbeitsplatz (8,3 Prozent) befristet. Vor 20 Jahren waren nach den amtlichen Statistiken nur 5,4 Prozent aller Arbeitsverträge zeitlich begrenzt.

Seils kritisiert, dass viele befristete Einstellungen ohne sachlichen Grund erfolgen. "Unternehmen machen es, weil sie es können." Befristete Neueinstellungen entsprächen einer "verlängerten Probezeit", bestätigt die Studie der Bundesagentur für Arbeit.

Sachgrundlose Befristungen machen knapp die Hälfte aller Zeitverträge aus. Der Arbeitsmarktforscher des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln), Holger Schäfer, rät dem Gesetzgeber davon ab, sie abzuschaffen. Nach seiner Beobachtung setzen Betriebe dieses Instrument auch deshalb ein, "weil eine gerichtsfeste sachliche Begründung einige juristische Kenntnisse erfordert".

Übernahme in regulären Job

Laut Seils bergen befristete Jobs für beide Seiten ein Risiko: "Die befristet Beschäftigten werden natürlich neben den Leiharbeitern zu den ersten Opfern gehören, wenn der wirtschaftliche Abschwung auf den Arbeitsmarkt übergreift." Auf der anderen Seite springen befristet Beschäftigte schnell ab, wenn sie andernorts eine Festanstellung bekommen, sagt Seils. Das IW weist hingegen darauf hin, dass die Übernahmequote aus auslaufenden Befristungen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen sei. Das Institut schließt daraus: "Befristungen haben die Beschäftigungsperspektiven der Betroffenen nicht verschlechtert."

Schäfer räumt ein, dass eine Befristung "aus Sicht des Arbeitnehmers in der Tat keine unmittelbaren Vorteile gegenüber einem gleichartigen unbefristeten Vertrag hat". Er gibt aber zu bedenken, dass ohne diese zeitliche Begrenzung manch ein Arbeitsverhältnis gar nicht zustande käme. Gerade bei unsicherer Geschäftsentwicklung könnten Betriebe mit Befristungen die "notwendige Flexibilität herstellen".

Noch im Jahr 2000 war der Anteil der Zeitarbeitsverträge bei Neueinstellungen mit gut 30 Prozent erheblich kleiner als derzeit. "Deutliche Anstiege der Befristungsquoten sind Mitte der 2000er Jahre im Zuge der Hartz-Reformen und in der Finanzkrise 2008 zu erkennen", erklärt das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit. Seit 2010 geht die Befristungsquote leicht zurück, ist aber mit rund 40 Prozent bei Neueinstellungen weiter auf einem hohen Niveau.

Einfluss auf Familienplanung

Jeder dritte befristet Beschäftigte (34,1 Prozent) gab an, dass er seinen Arbeitsvertrag unterschrieben habe, weil er keine Dauerstelle gefunden habe. Über diese unfreiwillige Befristung ärgern sich vor allem erfahrene Arbeitnehmer. Von den befristet Beschäftigten, die 45 Jahre und älter sind, sagen laut Statistikbehörde 45,2 Prozent, dass sie das Arbeitsverhältnis nicht gern eingegangen seien.

Die Unsicherheit im Job hat soziale Folgen. Laut Seils gibt es "Belege dafür, dass befristete Beschäftigungen einen negativen Einfluss auf die Familienplanung haben: Befristet Beschäftigte sind seltener verheiratet und haben auch weniger Kinder." Aber auch ihr Gefühl, zur Gesellschaft zu gehören, werde beeinträchtigt. "Gesellschaftliche Integration hängt eben in hohem Maße von einer stabilen Beschäftigung ab", sagt der Forscher der Hans-Böckler-Stiftung.

Markus Jantzer