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Sexuelle Belästigung besonders häufig im Pflege- und Gesundheitswesen




Transparent gegen sexuelle Belästigung
epd-bild/Rainer Oettel
Sexuelle Belästigung im Job ist immer noch weit verbreitet. Das zeigt eine repräsentative Studie. Besonders viele Fälle gibt es im Pflege- und Gesundheitswesen.

Schlechte Witze, dumme Sprüche und ein Klaps: Sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz sind kein Randphänomen, sondern weit verbreitet. Rund neun Prozent der Beschäftigten haben bereits sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erfahren, wie die Soziologin Monika Schröttle am 25. Oktober bei der Vorstellung einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes sagte. Dabei fällt auf: Überwiegend handelt es sich nicht um einmalige Fälle, sondern um fortgesetzte schwere Belästigungen. 83 Prozent der Befragten erlebten mehr als einmal belästigende Situationen.

98 Prozent der Opfer sind Frauen

Rund ein Viertel der Betroffenen hat der Studie zufolge Erfahrungen von körperlichen Belästigungen und Nötigungen sowie den Zwang zu sexuellen Handlungen am Arbeitsplatz gemacht. Insgesamt handelt es sich bei 98 Prozent der Opfer um Frauen.

Der Studie zufolge ging mehr als die Hälfte aller Übergriffe (53 Prozent) von Kunden, Klienten und Patienten aus. Bei 43 Prozent der belästigenden Personen handelte es sich um Kollegen, bei einem Fünftel waren es Vorgesetzte oder höherstehende Personen. Grundsätzlich bestehe in allen Branchen das Risiko für sexuelle Belästigung, sagte Schröttle. Allerdings sind zu knapp einem Drittel Beschäftige im Pflege- und Gesundheitsbereich betroffen.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) machte deutlich, dass es sich bei sexueller Belästigung um keinen Kavaliersdelikt, sondern um einen Straftatbestand handele. "Sie ist Ausdruck von Machtmissbrauch und eine Form von Gewalt gegen Frauen, aber auch gegen Männer", betonte Giffey. Arbeitgeber seien verpflichtet, für den Schutz ihrer Mitarbeiter zu sorgen. Dabei seien die Formen der sexuellen Belästigung oft vielfältig und deshalb schwer zu fassen, sagte die Ministerin. Sexuelle Belästigung beginne, wenn eine Geste oder ein Wort eine unterschwellige Bedeutung habe und reiche bis hin zu körperlicher Bedrängnis und Übergriffen.

Oft stillschweigend geduldet

Ein großes Problem ist, dass sexuelle Belästigung von den Opfern oftmals stillschweigend geduldet und damit auch nicht sanktioniert wird, wie es hieß. Giffey sagte, viele Betroffene hätten Angst, sich zu beschweren und bei Beschwerden gemobbt zu werden. Auch die Studie bestätigt, dass sich Betroffene zwar häufig verbal zur Wehr setzen, sich aber nur in vier von zehn Fällen an eine dritte Personen, wie etwa Kollegen, Vorgesetzte oder betriebliche Ansprechpartner wenden. Ganz selten werde der Rechtsweg eingeschlagen.

Sexuelle Belästigungen bei Frauen seien stark in Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse eingebunden, erklärte Schröttle. Besonders gefährdet seien weibliche Führungskräfte, Frauen in sogenannten Männerberufen, aber auch Selbstständige. Diese Berufsgruppen hätten mehrfach über sexuelle Belästigungen als "Form der Aggression und Machtdemonstration" berichtet.

Für die Studie im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes wurden von Juni 2018 bis September 2019 insgesamt 1.531 Menschen per Telefon befragt.

Susann Kreutzmann