sozial-Branche

Therapiehunde

"Flocke" bringt Lebensfreude




Labradoodle "Flocke" an der Seite der Psychologin Kathrin Lahusen
epd-bild/Matthias dembski
Ihr ist egal, ob jemand langsam oder schnell läuft, deutsch oder türkisch spricht: Wenn "Flocke" in den Kindergarten kommt, wollen alle mit ihr spielen. Doch die Therapiehündin ist gekommen, um zu arbeiten. Wobei der Spaß natürlich nicht zu kurz kommen darf.

Bevor es richtig losgeht und nachdem sie ihren Wassernapf leergeschlabbert hat, dreht "Flocke" vor der Kita der evangelischen Friedensgemeinde in Bremen noch ein paar freudige Pirouetten. Dann leint Kathrin Lahusen ihre Labradoodle-Hündin an, die Tür geht auf: "Sonst würde Flocke gleich selbstständig mit den Kindern spielen gehen." Für die Therapiehündin ist jetzt nämlich erst mal Arbeit angesagt.

Seit zehn Jahren begleitet Flocke ihr Frauchen, die Bremer Psychologin Kathrin Lahusen, bei der heilpädagogischen Frühförderung in evangelischen Kitas. Generell werden die gelehrigen Vierbeiner speziell in der Psycho-, Sprach- oder Ergotherapie eingesetzt, um etwa Motorik oder Sprache zu fördern.

Theapiehund zu werden, ist mit viel Aufwand verbunden. Nach Angaben des Deutschen Berufsverbandes für Therapie- und Behindertenbegleithunde müssen Halter und Hund rund 180 Ausbildungsstunden in Theorie und Praxis samt Prüfung durchlaufen. Dann sind die Einsatzmöglichkeiten breit gefächert: Die Tiere kommen zur Förderung von Kindern, zur Unterstützung Erwachsener, in Beratungsstellen, in Praxen, in Pflegeheimen oder auch im pädagogischen und seelsorgelrichen Bereich zum Einsatz. Seit dem Gründungsjahr 2000 hat der Verein nach eigenen Angaben 300 Teams ausgebildet.

Erkennungszeichen "Dogs-with-Jobs"-Halstuch

Kaum hat Flocke, eine Mischung aus einem Labrador und einem Großpudel, mit ihrem "Dogs-with-Jobs"-Halstuch die Kita-Tür passiert, wird sie auch schon von Kindern begrüßt. "Flocke kommt", ruft ein Junge durch die Eingangshalle und streicht mit der Hand über das lockige Fell. "Flocke hat heute schon zwei Verabredungen, mit Rosa und mit Paule", erklärt Lahusen den neugierigen Kindern, die am liebsten alle mit Flocke spielen möchten.

Der amerikanische Kinderpsychologe Levinson veröffentlichte 1969 ein Buch, in dem er über den Einsatz seiner Hündin in der Psychotherapie berichtete. Dadurch wurde ein Stein ins Rollen gebracht. Mittlerweile sind Therapiehunde auch in Deutschland ein Begriff. "In der Therapie existieren spezifische Zielsetzungen. Der heilende Aspekt steht im Mittelpunkt. Der Einsatz des Hundes erfolgt geplant und zielgerichtet zum Beispiel zur Verbesserung der Feinmotorik", teilt der Verein Dog-with-Jobs auf seiner Homepage mit.

Leckerli für das geduldige Warten

Über den Flur der Kita nähert sich bereits Rosa aus der Hummelgruppe. Die Dreijährige kann noch nicht allein gehen, sondern bewegt sich zusammen mit ihrer persönlichen Assistentin Martina. Die beiden sind über einen Therapiegurt verbunden, der Rosa stützt und ihr eine aufrechte Haltung ermöglicht. Langsam verlagert sie im Haltegurt ihr Gewicht und setzt einen Fuß vor den anderen. Stufe für Stufe geht es so eine Treppe hinauf. Flocke bleibt oben auf dem Absatz sitzen und wartet geduldig ab, bis Rosa bei ihr angekommen ist. Zur Belohnung gibt es dann ein Leckerli für Flocke und ein Lächeln von Rosa.

"Flocke motiviert die Kinder stark, das beobachte ich immer wieder. Mit dem Hund zu trainieren macht Spaß, weil es spielerisch und ohne Anstrengung läuft", erklärt Lahusen. "Die meisten Kinder mögen Hunde. Flocke fördert einfach die Lebensfreude."

So hat die Labradoodle-Hündin das Mädchen dabei unterstützt, sich an den Alltag in ihrer Krippen-Gruppe zu gewöhnen. Rosa war anfangs sehr schreckhaft, schnelle Bewegungen machten ihr Angst. Flocke half ihr dabei, Kontakt zu anderen Kindern aufzubauen. "Wenn der Hund zu Rosa kommt, ist das ein Gruppenevent", beschreibt Lahusen. "Alle machen mit, verstecken zum Beispiel den Ball, den Flocke dann zurückholt, und Rosa ist mitten drin."

Später ist Flocke noch mit Paule im Turnraum der Kita unterwegs. Eifrig versteckt der Fünfjährige kleine Hundekekse, die Flocke dann suchen muss. Paule, der infolge eines Schlaganfalls eine Halbseitenlähmung hat, liebt Bewegung. Meist spielt er zusammen mit seinem Freund und Flocke draußen Fußball. "Der Hund ist ein willkommener Bewegungsanlass. Flocke möchte Spaß haben, da trifft sie sich mit den Kindern. Lachen und Lernen gehören einfach zusammen, deshalb sind solche spielerischen Begegnungen wertvoll", erklärt Lahusen. "Flocke bewertet die Kinder nicht und nimmt jedes Kind so, wie es ist."

Therapiehund schon zehn Jahre "im Dienst"

Das hilft nicht nur Kindern mit Entwicklungsverzögerung, Autismus oder sozial-emotionalen Auffälligkeiten. "Ein Hund öffnet das Herz und ist ein Gesprächsanlass, um über eigene Gefühle zu sprechen", sagt Lahusen. Wo die Sprache fehlt, ist das auch kein Problem. Flocke reagiert auf Gebärden und gibt durch Blicke und Gesten Signale. Das zu erleben, hilft Kindern, die noch nicht sprechen können.

Zwischen 15 und 17 Kinder begleitet Flocke jedes Jahr, meist über einen Zeitraum von sechs Wochen. Vor kurzem hatte sie zehnjähriges "Dienstjubiläum". In der Friedens-Kita hängt ihr Foto sogar an der Mitarbeitenden-Fotowand im Eingangsbereich. "So wissen auch Eltern, die vielleicht zufällig auf Flocke treffen, dass dieser Hund in die Kita gehört", meint Lahusen.

Für die Therapiehündin sind ihre Kita-Einsätze tatsächlich anstrengend. Nachdem Flocke eine knappe halbe Stunde mit Rosa und Paule gearbeitet hat, freut sie sich über eine Schale Wasser. "Sie wird langsam müde", beobachtet Lahusen. "Mehr als zwei Einsätze sollten es pro Tag nicht sein, weil es für einen Hund Anstrengung bedeutet, sich so intensiv auf unterschiedliche Kinder einzulassen."

Für die Psychologin ist der Arbeitstag noch nicht vorbei. Aber Flocke wird jetzt von der Kita abgeholt, mit einem Hundetaxi. Den Rest des Tages kann sie dann auf einer Wiese zusammen mit anderen Hunden spielen und sich erholen. Ein letztes Mal legt Flocke ihren Ball vor Paules Füße - dann darf er beim Anleinen helfen uns sich für heute von seiner tierischen Freundin verabschieden.

Matthias Dembski


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