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Seltene Erkrankungen: Kritik an unzureichender Versorgung



Patienten mit seltenen Erkrankungen werden nach Einschätzung des Selbsthilfeverbunds Achse noch zu oft unzureichend versorgt. Besondere Ambulanzen und Sprechstunden für seltene Krankheiten gebe es in Universitätskliniken zwar schon lange, sagte Christine Mundlos, stellvertretende Geschäftsführerin der "Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen" (Achse) in Berlin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Wichtig sei aber eine übergreifende, koordinierende Struktur, in der die Patienten auf den "richtigen Pfad" geschickt würden.

"Wir brauchen eine bundesweit vernetzte Versorgungsstruktur durch spezialisierte Zentren", erläuterte die Ärztin. Die Umsetzung eines entsprechenden nationalen Aktionsplans aus dem Jahr 2010 hänge hinterher.

In Zentren für seltene Erkrankungen sollte es außerdem eine Anlaufstelle für Betroffene mit unklaren Diagnosen geben. Zur Abklärung der Symptome seien interdisziplinäre Fachkonferenzen der Ärzte notwendig.

Selbsthilfegruppen sollten gestärkt werden

Mundlos forderte auch eine finanzielle Stärkung von Selbsthilfeorganisationen, die oft nur von Spenden und Projektmitteln leben müssten. Die meist ehrenamtlichen Gruppen hätten immense Bedeutung für das Leben der Betroffenen mit ihrer Erkrankung. Ärzte könnten Diagnosen stellen und Therapien verordnen, aber die Auswirkungen der Krankheit für Familie, Beruf und den ganzen Alltag müssten die Patienten selbst bewältigen. "Selbsthilfegruppen fangen die Kranken und ihre Angehörigen dabei auf, geben ihnen Gemeinschaft und vermitteln fundiertes Wissen über die Krankheit."

Die Aufmerksamkeit für das Problem der seltenen Erkrankungen sei in den vergangenen Jahren gestiegen, hob Mundlos hervor. Die öffentliche Förderung von Forschung zu den "Seltenen" werde durch Programme und Wissenschaftspreise von Stiftungen ergänzt.

Nach wie vor würden aber viele Betroffene "von Pontius zu Pilatus" geschickt, bis sie endlich eine zutreffende Diagnose erhielten, kritisierte Mundlos, die als "Achse-Lotsin" Ärzte und Therapeuten berät. In der ärztlichen Ausbildung kämen die seltenen Erkrankungen zwar in den einzelnen Fachdisziplinen vor, doch würden deren gemeinsame Probleme nicht im Zusammenhang betrachtet.

Die "Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen" ist nach eigenen Angaben ein Netzwerk von mehr als 120 Selbsthilfeorganisationen von Patienten und Patientinnen und deren Angehörigen.

Thomas Krüger


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Stichwort: Seltene Erkrankungen

Von einer "seltenen Erkrankung" spricht man dann, wenn weniger als fünf von 10.000 Einwohnern ein spezifisches Krankheitsbild aufweisen. Es gibt mehr als 8.000 seltene Erkrankungen. In Deutschland sind rund vier Millionen Kinder und Erwachsene betroffen.

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