sozial-Recht

Landessozialgericht

Entschädigungsanspruch nach Kindesmissbrauch



Treten wegen sexuellen Kindesmissbrauchs nach Jahren bei den Opfern vorwiegend Störungen im Intimleben auf, können sie Anspruch auf eine Opferentschädigung haben. Der Grad der Schädigung (GdS) kann dann für eine Beschädigtenrente hoch genug sein, auch wenn Betroffene im beruflichen Alltag ihr Leben gut meistern können, entschied das Sächsische Landessozialgericht (LSG) in einem am 16. November veröffentlichten rechtskräftigen Urteil.

Im konkreten Fall hatte die Klägerin Ende 2011 im Alter von 29 Jahren einen Antrag auf Opferentschädigung gestellt. Sie begründete das mit den Folgen eines sexuellen Missbrauchs im Alter von elf und zwölf Jahren. Nach dem Gesetz ist der mögliche Entschädigungsanspruch nicht verjährt. Bei Kindesmissbrauch ruht die Verjährung bis zum 30. Lebensjahr eines Opfers.

Im hier vorliegenden Fall hatte der Täter das Mädchen obszön fotografiert, es an der nackten Brust angefasst und war mit dem Finger in sie eingedrungen. Der Mann wurde wegen des Geständnisses eines achtfachen sexuellen Missbrauchs zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Auf weitere Ermittlungen hatte das Amtsgericht verzichtet.

Später trat traumatische Störung ein

Laut Klägerin war der tatsächliche Missbrauch aber häufiger und ging über etwa ein Jahr. Wegen der Ereignisse sei erst Jahre später eine posttraumatische Belastungsstörung aufgetreten. Die äußere sich unter anderem in immer wiederkehrenden Erinnerungen. Die Frau sagte, sie vermeide körperliche Berührungen und sexuelle Kontakte. Ihr Intimleben sei stark gestört.

Den Antrag auf Opferentschädigung lehnte das Versorgungsamt jedoch ab. Es bestehe kein nachgewiesener Zusammenhang zwischen dem Missbrauch und der psychischen Störung. Psychische Probleme seien wohl Folge einer Ehekrise aufgetreten, mutmaßte die Behörde.

Das Sozialgericht Chemnitz stellte zwar einen Zusammenhang zwischen dem Missbrauch und den psychischen Problemen her. Die Traumafolgen wirkten sich aber im Wesentlichen auf das Intimleben aus. Den normalen Alltag könne die Frau gut bewältigen. Es bestehe daher ein Grad der Schädigung von nur 20 und nicht von 30, ab dem eine Beschädigtenrente gezahlt werde.

Das LSG urteilte, dass ein GDS von 30 vorliegt. Der Missbrauch habe zu einer posttraumatischen Belastungsstörung geführt. Denn es sei typisch, dass erst Jahre nach dem erlittenen Trauma sich Gesundheitsbeschwerden bemerkbar machten. Hier habe die Gutachterin plausibel den Zusammenhang zwischen Missbrauch und psychischen Beschwerden dargelegt.

Es habe auch ein für die Opferentschädigung erforderlicher tätlicher Angriff vorgelegen. Maßgeblich hierfür sei, dass die sexuelle Handlung eine Straftat war.

Auch dass die Klägerin ihren Alltag gut bewältigen könne, begründe keinen geringeren GdS. Die Klägerin pflege infolge des Missbrauchs kaum soziale Kontakte, habe deutliche Probleme in ihrem Intimleben und lasse sogar körperbetonte Kontakte zu ihren Kindern kaum zu, befand das LSG.

Az.: L 9 VE 16/1