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Gastbeitrag

Ausbildung: Aus dem Kosovo zur Diakonie




Johannes Flothow
epd-bild/Diakonisches Werk der evangelischen Kirche in Württemberg
Im Kampf gegen Personalmangel hilft oft nur Eigeninitiave: Die Diakonie Baden-Württemberg kooperiert deshalb mit Partnern im Kosovo. Auszubildende lernen dort erst Deutsch und kommen dann zur Ausbildung nach Deutschland. Johannes Flothow erläutert die Hintergründe und den Ablauf des erfolgreichen Projektes.

Der erste Schritt ist gemacht: Jüngst feierten über 200 Auszubildende, Einrichtungsleitungen, Vorstände der beteiligten diakonischen Träger und Einrichtungen, Mitglieder der Projektgruppe und Vertreter des kosovarischen Projektpartners APPK den erfolgreichen Abschluss des ersten Jahrgangs des Kosovo-Ausbildungsprojekts. Mit dabei als Ehrengast: Skender Reçica, Minister für Arbeit und Soziales der Republik Kosovo, der allen Beteiligten für ihren Einsatz dankte.

Von 27 Personen, die nach einem neunmonatigen Deutschkurs im Kosovo im Herbst 2015 die Ausbildung in Deutschland begonnen hatten, erreichten 23 Personen das Ziel, Altenpflegefachkraft zu sein. Vier Auszubildende wiederholen das dritte Ausbildungsjahr, um ein Jahr später Fachkraft zu werden. 19 Personen haben nach der Ausbildung bei einer diakonischen Einrichtung einen Vertrag als Altenpflegefachkraft unterschrieben.

Auftakt vor vier Jahren

Rückblick: Genau vor vier Jahren hatte das Projekt mit einer Ausschreibung für 20 Ausbildungsplätze für Absolventen von berufsbildenden medizinischen Mittelschulen im Kosovo begonnen. Mehr als 300 Personen hatten sich auf die Ausschreibung der kosovarischen Partnerorganisation APPK hin gemeldet. Im Oktober 2014 wurden 20 geeignete Kandidaten für die Ausbildung ausgewählt. Letztlich erhielten 27 Personen eine Ausbildungszusage, unter der Bedingung, dass die Bewerber bis zum Ausbildungsbeginn die deutsche Sprache bis zu einem Niveau von B 1 lernen würden - die meisten starteten mit dem Unterricht ohne ein Wort Deutsch.

Vor der endgültigen Entscheidung über einen Ausbildungsvertrag reisten die Bewerber im Mai 2015 zu einer zehntägigen Hospitation in den künftigen Ausbildungseinrichtungen nach Deutschland. Im Herbst erhielten sie dann ein Visum zum Zwecke der beruflichen Ausbildung in Deutschland.

Jeweils zu zweit nahmen sie die betriebliche und schulische Ausbildung in diakonischen Altenpflegerichtungen in Baden-Württemberg auf. Bei der Integrationsbegleitung folgte das Projekt der Idee, den Teilnehmenden bei der Integration in Arbeit, Schule und Leben so wenig Unterstützung wie möglich, aber auch so viel Unterstützung wie nötig zu geben.

Fast alle Absolventen berichten davon, wie intensiv und anstrengend die zurückliegenden vier Jahre waren, ganz besonders die ersten zwölf Wochen in Deutschland.

Sprachkenntnisse sind die höchste Hürde

Für die meisten ist zu Beginn die deutsche Sprache die größte Herausforderung. Sprachkenntnisse auf dem Niveau B1 sind für die Ausbildung zwar anfangs zu gering, aber die Kosovaren bringen bereits medizinische Vorkenntnisse mit. Erschwert wird das Erlernen der Sprache dadurch, dass in Baden-Württemberg im beruflichen Alltag oft schwäbischer Dialekt gesprochen und auf den Schulhöfen bei der Vielzahl von Nationalitäten Deutsch zwar gemeinsame Sprache ist, aber die meisten Schüler keine Muttersprachler sind. Aber: die meisten Absolventen sprechen inzwischen dank Sprachkursen, Job und einheimischer Freunde fast akzentfreies Deutsch.

Insgesamt machen zurzeit über 130 Kosovaren eine Ausbildung in der Diakonie in Baden-Württemberg. Im Kosovo lernen seit September 2018 weitere 110 junge Leute Deutsch, denen für Herbst 2019 ein Ausbildungsplatz versprochen wurde. Werbung muss unser Partner APPK nicht mehr machen. Absolventen und Teilnehmenden berichten ihren Geschwistern, Verwandten, Klassenkameraden und Freunden zu Hause von ihren positiven Erfahrungen bei der Ausbildung und von den transparenten Teilnahmebedingungen. Das Diakonie-Ausbildungsprojekt hat sich inzwischen einen guten Namen im Kosovo erworben.

"Der Auswanderungsdruck ist enorm"

Der Kosovo ist jung, das Durchschnittsalter liegt bei etwa 25 Jahren. Doch es gibt eine sehr hohe Arbeitslosigkeit auch bei jungen, teils gut ausgebildeten Menschen. Auf Jahre noch wird es für die Vielzahl von Absolventen von Berufsschulen und Universitäten nicht genügend Arbeitsplätze geben.

Ein Schlaglicht: Das Medizinische Ausbildungszentrum Ferizaj in Kosovo gab an, dass von 70 Abgängern des letzten Jahrgangs lediglich fünf eine Arbeit im Ausbildungsberuf gefunden hätten. Der Auswanderungsdruck ist enorm. Alle Projektteilnehmenden geben an, dass sie von ihren Familien bei ihrer Entscheidung unterstützt worden sind, nach Deutschland zu gehen, dort eine Ausbildung zu machen und danach als Fachkraft in Deutschland zu arbeiten.

Welche Erkenntnisse haben wir aus dem Projektverlauf zu ziehen:

- Für junge Menschen aus dem Kosovo bietet das Ausbildungsprojekt einen sicheren, verlässlichen, schnellen und legalen Weg eine Fachkraft in Deutschland zu werden und damit eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erhalten.

- Für Träger und Einrichtungen der Altenhilfe bietet das Projekt die Möglichkeit, zwar Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen, die durch die dreijährige Ausbildung in Deutschland die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen haben.

- Ausbildung ist eine bisher wenig bekannte und genutzte Möglichkeit der Einwanderung aus Drittstaaten bzw. der Gewinnung von Fachkräften aus Drittstaaten. Ausbildung bedeutet einen „Blitzstart“ in vier Jahren vom Drittstaatsangehörigen ohne Deutschkenntnisse zur Fachkraft mit Aufenthaltserlaubnis in Deutschland.

Johannes Flothow ist Referent für Internationale Diakonie im Diakonischen Werk Württemberg.