Karlsruhe (epd). Das Sozialamt kann auf eine Schenkung von Eltern an ihre Kinder zugreifen, um damit die Pflegekosten der Mutter zu decken. Als Schenkung gilt dabei nicht nur ein auf die Kinder übertragenes Haus, sondern auch der Wertzuwachs eines Grundstücks aufgrund des Verzichts auf ein zuvor vereinbartes lebenslanges Wohnrecht, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am 23. August veröffentlichten Urteil. Zahlen die Eltern dann noch Miete an ihre Kinder, müsse auch dieser Nutzen aus der Schenkung berücksichtigt werden, so die Karlsruher Richter.
Nach den gesetzlichen Bestimmungen kann eine Schenkung wegen "Verarmung des Schenkers" zurückgefordert werden. Herausgegeben werden müssen dabei auch die Nutzungen, die aus dem Geschenk gezogen wurden. Erst zehn Jahre nach Erhalt der Schenkung können diese nicht mehr zurückgefordert werden. Sogenannte "Pflicht- oder Anstandsschenkungen" muss der Beschenkte generell nicht zurückgeben. Dazu gehören Weihnachtsgeschenke oder Geschenke, die eine Belohnung für Hilfen oder geleistete Diensten darstellen sollen.
Im konkreten Fall hatten Eltern ihrer Tochter 1995 ein Haus im Raum Bielefeld geschenkt. Die Eltern verzichteten 2003 auf ein zuvor im Grundbuch eingetragenes lebenslanges Wohnrecht. Die Mutter zahlte der Tochter nun für die bewohnte Wohnung monatlich 340 Euro Kaltmiete.
Als der Vater starb und die Mutter 2012 in ein Pflegeheim zog, kam der Landkreis Schaumburg als Sozialhilfeträger für die Heimkosten auf. Bis zum Tod der Mutter fiel so Hilfe zur Pflege in Höhe von 22.248 Euro an.
Dieses Geld forderte der Landkreis von der Tochter zurück. Das 1995 geschenkte Haus könne wegen des Ablaufs der Zehnjahresfrist zwar nicht mehr als Schenkung zurückgefordert werden. Anders sehe dies aber bei dem nachträglich erklärten Verzicht der Eltern auf ihr Wohnrecht und dem damit verbundenen Wertzuwachs des Grundstücks sowie mit der daraufhin erhaltenen Miete aus.
Dies bestätigte nun auch der BGH. Innerhalb von zehn Jahren könnten Schenkungen bei einer wirtschaftlichen Notlage des Schenkers zurückgefordert werden. Als Schenkung sei hier der erst 2003 erklärte spätere Verzicht auf das lebenslange Wohnrecht anzusehen. Denn dadurch sei der Wert des Grundstücks gestiegen, so der BGH. Um den objektiven Wert des Grundstücks bestimmen zu können, könne der Verkehrswert, zu dem das Haus veräußert werden kann, herangezogen werden.
Auch die Mieteinnahmen müsse sich die Tochter anrechnen lassen, die sie von ihrer Mutter erhalten hatte. Das Oberlandesgericht Hamm muss nun den genauen Rückforderungsanspruch des Landkreises bestimmen.
Auch regelmäßige kleine Geldgeschenke sind vor dem Sozialamt nicht sicher. Zahlt eine Mutter ihren Töchtern die monatlichen Beiträge zu ihren Lebensversicherungen, können diese Schenkungen über die vergangenen zehn Jahre für die Unterbringung im Pflegeheim zurückgefordert werden, urteilte das Landessozialgericht Baden-Württemberg im Oktober 2017 in Stuttgart.
In entschiedenen Fall wurde von einer 84-jährigen, in einem Pflegeheim untergebrachten Rentnerin verlangt, dass sie zur Deckung der Heimkosten regelmäßige, seit Jahren getätigte Geldgeschenke an ihre Töchter zurückfordert. Das Geld wurde für deren Lebensversicherungsbeiträge verwendet.
Die Töchter könnten ja die Lebensversicherungen wieder verkaufen, so das LSG. Die Schenkungen der Mutter an ihre Töchter dienten auch nicht deren Unterhalt, so dass kein Rückforderungsanspruch bestünde. Gleiches gelte für "Anstandsgeschenke" und "übliche Gelegenheitsgaben" zu besonderen Tagen oder Anlässen. Diese setzten einen geringen Wert voraus. Bei Einzahlungen in eine Lebensversicherung handele es sich aber nicht um "Anstandsgeschenke", befand das LSG.
Der BGH stellte zudem in einem Urteil vom Mai 2012 klar, dass Schenkungen selbst dann innerhalb von zehn Jahren zurückgegeben werden müssen, wenn der Schenkende gestorben ist und die Erben auf diese Weise ihren Pflichtteil beanspruchen können. Die Rückforderung könnten sogar Erben geltend machen, die zum Zeitpunkt der Schenkung noch gar nicht geboren waren. Könnten bereits zum Zeitpunkt der Schenkung geborene Erben Ansprüche geltend machen, damals noch nicht geborene Erben aber nicht, wäre dies eine "mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht zu vereinbarende Ungleichbehandlung", so der BGH.
Damit eine versprochene Vermögensschenkung wirksam werden kann, muss nach einer weiteren Entscheidung des BGH vom Juni 2016 ein Notar diese beurkunden. Andernfalls sei die Schenkung selbst dann nichtig, wenn das Vermögen bereits an den Beschenkten übergeben wurde. Dies gelte erst recht, wenn die Vermögensübertragung kurz vor dem Tod erfolgen soll. Mit dem Zwang zur notariellen Beurkundung sollen laut BGH Betroffene vor übereilten Übertragungen ihres Vermögens geschützt werden.
Az.: X ZR 65/17 (BGH, Verzicht auf Wohnrecht)
Az.: L 7 SO 1320/17 (LSG Stuttgart, Lebensversicherung)
Az.: IV ZR 250/11 (BGH, Pflichtteil)
Az.: X ZR 65/14 (BGH, Notar)