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Fachkräftemangel

Schneider: Personalmisere mit Zuwanderungsgesetz nicht zu bekämpfen




Ulrich Schneider
epd-bild/Die Hoffotografen/Paritätischer Verband
Ein Zuwanderungsgesetz wird nach der Einschätzung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes die Personalnot in der Sozialbranche kaum lindern. Dennoch sei die Absicht der Bundesregierung, Zuwanderern die Jobsuche in Deutschland zu erleichtern, richtig.

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, Ulrich Schneider, sieht positive Ansätze in den Eckpunkten zu einem Zuwanderungsgesetz. Er weist im Interview des Evangelischen Pressedienstes (epd) aber auch auf "blinde Flecken" hin. Über das geplante neue Gesetz hinaus seien begleitende Programme im Ausland wie auch in Deutschland notwendig, wenn eine verstärkte Anwerbung und längerfristige Beschäftigung von Fachkräften gelingen soll. Die Fragen stellte Markus Jantzer.

epd sozial: Wie bewerten Sie die bekanntgewordenen Eckpunkte der Bundesregierung für ein Einwanderungsgesetz?

Ulrich Schneider: Die Eckpunkte enthalten einige unterstützenswerte Ansätze. Richtig ist etwa der weitgehende Verzicht auf die Vorrangregelung, nach der Zuwanderer aus Nicht-EU-Staaten nur dann einen Job annehmen dürfen, wenn kein geeigneter anderer Bewerber aus Deutschland oder der EU zur Verfügung steht. Auch begrüße ich, dass beruflich Qualifizierte aus Drittstaaten, die in Deutschland auf Arbeitssuche sind, leichter eine Aufenthaltserlaubnis erhalten sollen. Positiv zu bewerten sind auch die angestrebten Verbesserungen im Bereich der Anerkennung vorhandener beruflicher Qualifikationen. Es gibt jedoch in diesen Eckpunkten auch noch einige blinde Flecken. Was fehlt, ist beispielsweise die unbedingt notwendige Möglichkeit des Spurwechsels, wonach geduldete, gut integrierte Asylbewerber einer regulären Beschäftigung nachgehen können sollen. Völlig unberücksichtigt bleibt zudem der Bereich der Familienzusammenführung. Erleichterungen bei der Familienzusammenführung sind nicht nur aus humanitären Gründen dringend geboten, sondern auch unverzichtbar, wenn man Fachkräfte aus Drittstaaten gewinnen will.

epd: Kann ein neues Zuwanderungsgesetz den Fachkräftemangel in der Sozialbranche spürbar lindern?

Schneider: Das ist aktuell nicht absehbar. Vermutlich wird die Zuwanderung von Fachkräften aus außereuropäischen Staaten – etwa im Pflegebereich – nur einen überschaubaren Beitrag leisten können zur Beseitigung der Engpässe. Sinnvoll wäre perspektivisch die Kooperation mit anderen Staaten und entsprechende zwischenstaatliche Abkommen, in denen die Ausbildung und der Austausch von Fachkräften geregelt werden. Klar ist aber auch: Wer den Pflegenotstand wirklich beheben will, muss vor allem die Rahmenbedingungen verbessern und den Beruf attraktiver machen, um sowohl inländische Potenziale zu heben als auch bei Bedarf ausländische Fachkräfte zu gewinnen.

epd: Sollten Menschen aus Drittstaaten vor einer Anstellung sprachliche und fachliche Prüfungen ablegen?

Schneider: Das hängt davon ab, um welche Tätigkeit es sich handelt. Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, dass bei Fachkräften die notwendige sprachliche und berufliche Qualifikation auch nachgewiesen sein muss, etwa in Form von Zertifikaten oder Prüfungen. Im Pflegebereich etwa sind in der Regel allgemeinsprachliche oder fachspezifische Deutschkenntnisse auf dem Sprachniveau B2 erforderlich.

epd: Für die Sozialbranche wurden in den vergangenen Jahren verschiedene staatliche Programme zur Anwerbung von Menschen aus Drittstaaten aufgelegt. Sollten solche Programme nach der Einführung eines Zuwanderungsgesetzes noch aufrecht erhalten werden?

Schneider: Gezielte Programme können auch zukünftig die Neuregelung des Zuwanderungsrechts ergänzen. Für qualifizierte Pflegekräfte, deren Ausbildung hier als gleichwertig anerkannt ist, gibt es auch jetzt schon keine ausländerrechtlichen Hürden, die der Beschäftigung entgegenstehen. Daher wird die Neuregelung des Rechts hier keine gravierenden Änderungen bewirken. Notwendig sind begleitende Programme im Ausland wie auch in Deutschland, wenn eine verstärkte Anwerbung und längerfristige Beschäftigung von Fachkräften gelingen soll.

epd: Geht von einem Zuwanderungsgesetz Lohndruck auf einheimische Beschäftigte aus?

Schneider: Da sich das Zuwanderungsgesetz ja auf Erleichterungen beim Zuzug von anerkannten Fachkräften beschränkt und in diesem Bereich in der Regel eine große Nachfrage besteht, ist von einem verstärkten Lohndruck nicht auszugehen.

epd: Ist das Anwerben qualifizierter Kräfte aus Drittstaaten ethisch vertretbar, auch wenn sie die Entwicklungsmöglichkeiten der Länder des Globalen Südens einschränkt?

Schneider: Um dies zu vermeiden sind – insbesondere im Gesundheitsbereich – zwischenstaatliche Abkommen anzustreben. Ob die Beschäftigung qualifizierter Fachkräfte aus Drittstaaten dort die Entwicklungsmöglichkeiten einschränkt, ist nicht pauschal zu beantworten – die Problematik ist aber auch nicht von der Hand zu weisen.



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