Ausgabe 8/2013 - 23.02.2018
Frankfurt a.M. (epd). Ausgesucht haben es sich die wenigsten: 2,7 Millionen Menschen erziehen ihre Kinder allein – eine halbe Million mehr als vor zehn Jahren. Und: Fast 44 Prozent von ihnen haben weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens. Das gilt als Schwelle zur Armut. Jeder dritte Alleinerziehenden-Haushalt bezog 2016 Hartz-IV-Leistungen, wie Daten der Bundesregierung zeigen. Sie verdeutlichen auch: Das Armutsrisiko für Alleinerziehende wächst.
"Auch Kinderarmut lässt sich zu einem großen Teil auf die Armut Alleinerziehender zurückführen", sagt Antje Funcke vom Forschungsbereich Bildungsinvestitionen der Bertelsmann Stiftung. Tatsächlich lebt die Hälfte der 1,9 Millionen Kinder in Hartz-IV-Bezug mit nur einem Elternteil. Fünfmal häufiger als eine Paarfamilie sind Ein-Eltern-Familien von Sozialleistungen abhängig, stellt die Volkswirtin fest. Das liegt auch an der Doppelrolle von Alleinerziehenden: "Sie müssen allein ein Einkommen für mindestens zwei erwirtschaften und sind auch allein für die Fürsorgearbeit zuständig."
Vollzeitjobs schaffen viele nicht – vor allem, wenn die Kinder jünger sind. Sie arbeiten dennoch häufiger Vollzeit als verheiratete Mütter – und in Teilzeit arbeiten sie länger. Das Geld reicht oft trotzdem nicht. "Es ist teurer, mit Kindern zusammenzuleben als mit anderen Erwachsenen", sagt Funcke. Frauen – sie stellen 90 Prozent der Alleinerziehenden – arbeiten oft in schlechter bezahlten Berufen. "Eine Vollzeitstelle als Verkäuferin reicht kaum zum Leben", sagt die Forscherin. "Die Arbeitszeiten sind für Alleinerziehende aber sowieso kaum machbar."
Für Arbeitgeber sind Alleinerziehende eher unattraktiv: "Wir sind ja auch diejenigen, die wegen kranker Kinder zu Hause bleiben müssen", sagt Erika Biehn, Vorsitzende des Verbandes alleinerziehende Mütter und Väter. Mehr Ganztagsbetreuung fordert der Verband schon lange. Ein Patentrezept gegen Armut ist das aber nicht, sagt Funcke. "Statt Druck zur Vollzeit zu machen, sollte Fürsorgearbeit finanziell mehr anerkannt und Frauen gezielt für besser bezahlte Arbeit qualifiziert werden, damit auch Teilzeit zum Leben reichen kann."
Seit 2017 springt der Staat zumindest länger ein, wenn der Expartner keinen Unterhalt zahlt – bis zum 18. statt wie vorher nur bis zum zwölften Geburtstag des gemeinsamen Kindes. Biehns Verband hat lange für die Reform gekämpft. Jetzt stellt sich heraus: "Bei vielen kommt gar nicht mehr Geld auf dem Konto an, bei manchen sogar weniger." Denn: Unterhaltsvorschuss zählt als Einkommen. Wer vorher Wohngeld bekam, weil der Lohn nicht für die Miete reichte, verliert es jetzt – es ist ja mehr Einkommen da.
Das ist nicht das einzige Schnittstellenproblem: Auch der Kinderzuschlag – eingeführt für arme Familien – wird mit dem Unterhalt verrechnet. "Es lohnt sich für die meisten gar nicht, ihn zu beantragen", sagt Biehn.
Und während Verheiratete mit dem Ehegattensplitting bis zu 16.000 Euro im Jahr sparen können, werden Alleinerziehende fast so besteuert wie Singles: Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende bringt bei einem Kind eine monatliche Steuerersparnis von 159 Euro - mehr nicht. Biehn fordert außer Steuergerechtigkeit eine Kindergrundsicherung: Hilfen aus einer Hand, die nicht gegeneinander verrechnet werden.
Die Kindergrundsicherung sieht auch Funcke als zentral in der Armutsbekämpfung. "Dafür muss das Hilfesystem aber komplett umgedacht werden", sagt die Expertin. Einen Prüfauftrag dafür gibt es immerhin: Die Konferenz der Sozialminister der Länder will in diesem Jahr ein Konzept dazu vorlegen. Ein Hoffnungsschimmer, sagt Biehn. "Als erstes brauchen wir aber endlich eine Regierung, die wir ansprechen können."