sozial-Politik

Armut

Forscher: Soziale Schieflage bei Wahlbeteiligung wird immer krasser




Robert Vehrkamp
epd-bild/Kai Uwe Oesterhelweg

Wachsende soziale Ungleichheit beeinflusst aus Sicht des Detmolder Sozialwissenschaftlers Robert Vehrkamp zunehmend die Wahlen. "Wir reden nicht mehr über kleine Unterschiede, die soziale Schieflage wird immer krasser", sagte der Wissenschaftler im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der typische Nichtwähler lebe in Wohnvierteln mit hoher Arbeitslosigkeit, Armut und niedriger Bildung. In solchen Vierteln wählten nur noch 30 Prozent der Bewohner, in gutbürgerlichen dagegen um die 80 Prozent, erklärte der Forscher, der für die Bertelsmann Stiftung die Wahlbeteiligung in Deutschland untersucht.

Die Wahlergebnisse seien dadurch sozial nicht mehr repräsentativ. "Das ist eine große Gefahr für die Demokratie."

Nichtwähler seien oft der Auffassung, dass ihre Stimme nichts ändert. "Man ist in der öffentlichen Diskussion viel zu lang davon ausgegangen, dass Nichtwähler bräsig-zufrieden und politisch uninteressiert sind." Das sei grundfalsch. Sie seien weder unpolitisch noch zufrieden: "Sie erwarten aber nichts mehr von den etablierten Parteien."

Entsprechend einfach hätten es Protestparteien und Populisten: "Bei der NRW-Wahl 2017 sind viele Protestwähler direkt von den Piraten zur AfD gewandert, obwohl diese Parteien sich inhaltlich natürlich stark unterscheiden."

Die insgesamt gestiegene Wahlbeteiligung der letzten Landtagswahlen habe an der soziale Spaltung nichts geändert. Die Abstände seien sogar gewachsen. "In besser gestellten Milieus wird noch mehr gewählt - auch aus Sorge vor der AfD." Ausgerechnet Nichtwähler-Hochburgen seien zudem für die Parteien "wahlkampffreie Zonen".

Sich um Nichtwähler zu bemühen, verspreche den etablierten Parteien wenig Erfolg. "Es fehlen ihnen inzwischen auch die Ressourcen dafür", sagte Vehrkamp. Das verstärke den Trend. Damit bekämen die sozialen Probleme der Nichtwähler-Milieus in der Politik auch immer weniger Aufmerksamkeit, fürchtet Vehrkamp. "Ein Teufelskreis."

Nicht-Wählen werde zudem über das Umfeld an die jüngere Generation vermittelt. Der Forscher fordert daher, nicht nur das Wahlalter zu senken, sondern Jugendliche im schulischen Umfeld wählen zu lassen. "Wählen will gelernt sein."

Miriam Bunjes

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