sozial-Politik

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Wandel in der Gesellschaft begreifen lernen



Ein Netzwerk aus Gewerkschaften, Kirchen und Stiftungen will gemeinsam die Digitalisierung mitgestalten – dazu gehört für die Beteiligten auch, diesen Prozess erst einmal zu verstehen.

Manchmal hängen Dinge mehr miteinander zusammen, als vielen Menschen bewusst ist: Das gilt etwa für Fitness-Armbänder, die bei einem Jogger Daten über den Laufstil erheben. Ist ein Mensch mit einem solchen Gerät unterwegs, erfährt er nicht nur selbst etwas über seinen Fitnesszustand, sondern unter Umständen auch seine Krankenkasse. In Deutschland derzeit noch nicht, in den USA jedoch schon - was dort unmittelbar Einfluss auf die Höhe der Beiträge haben kann. "Menschen verlieren auf diese Weise vollkommen die Kontrolle über ihre Daten. Außerdem ist das eine Entgrenzung von Freizeit und Arbeit", sagt der Experte Welf Schröter.

Schröter leitet das "Forum soziale Technikgestaltung" des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). In dieser Funktion nimmt er als dessen Vertreter an dem organisationsübergreifenden Projekt "Sozialer Zusammenhalt in digitaler Arbeitswelt" teil. Neben DGB und ver.di sind auch kirchliche Organisationen wie die Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit (BAG EJSA) und der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (KDA) der Evangelischen Landeskirche in Württemberg dabei; außerdem Stiftungen und Wissenschaftler.

Debatte über Digitalisierung anstoßen

Insgesamt sind im "Forum soziale Technikgestaltung" ein Dutzend Akteure aus unterschiedlichen Strömungen der Gesellschaft versammelt, sie alle eint laut Schröter dasselbe Ziel: Zusammenhänge wie den zwischen Fitness-Armbändern und Krankenkassen, von denen es viel mehr gibt, als den meisten Menschen bewusst ist, zu erklären und so im gesellschaftlichen Bewusstsein zu verankern. Kurzum: eine Debatte über Digitalisierung darüber anzustoßen, wie elektronische Geräte und ihre Datenerfassung unser Leben verändern.

Denn diese Debatte sei bislang viel zu kurz gekommen, finden die Gründer des Netzwerkes. Es fehle in der Bevölkerung an Kenntnis, wie weit die Technik bereits in den Alltag eingreift. Ein Beispiel ist für Schröter der sogenannte Cloudworker - also ein Mensch, der an einem beliebigen Ort am Rechner sitzt und von dort aus Arbeiten für verschiedene Betriebe ausführt.

Cloudworkern fehlt sozialer Zusammenhalt

"Teil des Betriebslebens ist ja auch der soziale Zusammenhalt. Man lernt, miteinander umzugehen", so Schröter. Das alles habe ein Cloudworker aber nicht - er stehe mit anderen Cloudworkern ausschließlich in Konkurrenz. "Wo also lernen diese Menschen Sozialisation?" Der Vorschlag des Netzwerks ist daher: Cloudworker zum Arbeiten an öffentlichen Orten zusammenbringen. Ohne dass ihnen dafür Kosten entstehen. Das könnte etwa in Bibliotheken geschehen. "Das muss man bewusst als Teil einer kommunalen Stadtentwicklungsplanung machen. Und dafür benötigt man dann auch gesellschaftspolitische Förderung." Also: öffentliche Gelder.

Initiativen wie dieses Netzwerk passen in die Zeit. Gerade erst haben die SPD-geführten Ministerien in der Bundesregierung für Justiz, Arbeit und Wirtschaft ein 80-seitiges Positionspapier zur Digitalisierung vorgelegt - ohne Beteiligung der Union. In dem Schriftstück mit dem Titel "Digitalpolitik für Wirtschaft, Arbeit und Verbraucher" regen die SPD-Minister Brigitte Zypries, Andrea Nahles und Heiko Maas unter anderem überbetriebliche Bildungszentren zur Digitalisierung an - und vor allem eine Digitalagentur unter Bundeshoheit.

Analog zu vergleichbaren Einrichtungen - etwa der Bundesnetzagentur - soll sie über den Wandel wachen. Außerdem fordern sie für die nächste Bundesregierung ein "Kompetenzzentrum, das wissenschaftlichen Sachverstand zum digitalen Wandel bündelt", heißt es in dem Papier.

Sebastian Stoll

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