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Cannabis-Therapie: Streit mit Krankenkassen




Cannabis-Medikament und ein Vaporizer
epd-bild/Jörg Koch
Ein neues Gesetz soll schwer kranken Menschen eine medikamentöse Cannabis-Therapie erleichtern. Ein halbes Jahre nach Inkrafttreten der Regelung fühlen sich viele Patienten jedoch mit schier unüberwindlichen Hürden konfrontiert.

Für einige kranke Menschen in Deutschland war der 18. Januar 2017 ein Tag großer Hoffnung: Damals beschloss der Bundestag, medizinisches Cannabis auf Kassenrezept verfügbar zu machen. Auch die Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen wurde vorgesehen. Das neue Gesetz ist zwar bereits im März in Kraft getreten, aber es gibt immer noch viele Unklarheiten - vor allem aber jede Menge Wut und Enttäuschung auf Patientenseite.

Viele Probleme

Zuvor war Cannabis zu medizinischen Zwecken nur mit Ausnahmegenehmigung erhältlich. Von einem "Riesenschritt" und einem "mutigen Weg" sprachen deshalb die Koalitionsparteien bei ihrem Beschluss im Parlament.

Axel Junker vom Selbsthilfenetzwerk Cannabis-Medizin berichtet von einer Vielzahl von Problemen, mit denen potenzielle Cannabis-Patienten zu kämpfen haben. So scheuten sich viele Ärzte wegen des großen bürokratischen Aufwandes, diese Medikamente zu verschreiben. Auch sei der Preis für medizinisches Cannabis seit der Novelle sprunghaft gestiegen.

Nach Junkers Kenntnis wurden bisher nur rund 40 Prozent der Anträge auf Kostenübernahme von den Krankenkassen angenommen. Selbst Menschen, die zuvor eine Ausnahmegenehmigung für Cannabis besaßen, seien betroffen.

Abschlägige Bescheide

Diese Darstellung bestätigt auch Jan Elsner. Der Cannabis-Patient hat eine Selbsthilfegruppe in Köln gegründet. Er erlebt immer wieder abschlägige Bescheide der Krankenkassen. Er spricht von Versuchen der Medizinischen Dienste der Kassen (MDK), auf "fast skandalöse Weise das Gesetz zu unterlaufen". Für die Region Nordrhein nennt er Zahlen: Nach offiziellen Angaben des MDK Nordrhein wurden beispielsweise im Bezirk Düsseldorf im Juni 38 begutachtete Anträge genehmigt - und 109 abschlägig bewertet. Im Bezirk Köln wurden gar nur 22 von 161 Anträgen gutgeheißen.

Tatsächlich legt das Gesetz fest, Kassen sollten nur "in begründeten Ausnahmefällen" die Kostenübernahme für ärztlich verordnetes Cannabis ablehnen. Das Bundesgesundheitsministerium bekräftigte auf Anfrage, die Kassen sollten für die Therapie aufkommen, "wenn bei der schwerwiegenden Erkrankung eine alternative Behandlung nach Einschätzung des Arztes nicht möglich ist". Alle Beteiligten sollten eine Umsetzung im Sinne der Patienten anstreben.

Die Medizinischen Dienste verteidigen gleichwohl ihre Praxis. Der Einsatz von Cannabis müsse individuell geprüft werden, erklärte eine Sprecherin. Letztlich obliege es ohnehin den Kassen und nicht dem MDK, über die Kostenübernahme zu entscheiden.

Ein weiteres Problem: Seit der Gesetzesänderung ist medizinisches Cannabis in den Apotheken knapp. Nach Angaben der Bundesvereinigung der Apothekerverbände herrscht bis mindestens September ein Lieferengpass.

"Ein Unterschied wie Tag und Nacht"

Die Unterversorgung mit den Medikamenten könne Patienten vor enorme Probleme stellen, sagt Michael Autrum. Der Frührentner aus dem Münchner Umland leidet nach Rückenoperationen an schweren chronischen Schmerzen. Schon seit 2014 darf er mit einer Ausnahmegenehmigung Cannabis beziehen.

Für ihn sei die neue Therapie ein wichtiger Schritt gewesen, sagt Autrum. Zuvor habe er einen Cocktail starker Schmerzmittel einnehmen müssen und in der Folge 70 Kilogramm zugenommen und unter psychischen Veränderungen gelitten. Zerstäubtes Cannabis habe für ihn diese Probleme behoben.

Nun komme er aber nicht mehr an seine Arznei und müsse sich mit synthetischen Präparaten behelfen: "Das Medikament hat 22.000 mal weniger THC-Wirkstoff als Cannabisblüten - das ist natürlich ein Unterschied wie Tag und Nacht", sagt er. Dennoch sei er fest entschlossen, weiterhin ohne starke Schmerzmittel auszukommen.

Florian Naumann

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