Ausgabe 34/2017 - 25.08.2017
Kassel (epd). Die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine abschlagsfreie Rente ab dem 63. Lebensjahr für besonders langjährig Versicherte stehen im Einklang mit dem Grundgesetz. Das Bundessozialgericht fällte zwei Urteile, wonach Zeiten der Arbeitslosigkeit kurz vor Rentenbeginn nur im Ausnahmefall bei den für den Rentenanspruch erforderlichen 45 Beitragsjahren angerechnet werden.
Nach den von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) veranlassten und seit 1. Juli 2014 geltenden Bestimmungen können gesetzlich Versicherte mit 63 Jahren ohne finanzielle Abschläge vorzeitig in den Ruhestand gehen, wenn sie mindestens 45 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben. Zeiten des Arbeitslosengeld-I-Bezugs zählen grundsätzlich mit. Eine Ausnahme gilt jedoch: Arbeitslosigkeit innerhalb von zwei Jahren vor Rentenbeginn wird nicht angerechnet.
Von dieser Ausnahme hatte der Gesetzgeber noch einmal eine Ausnahme gemacht. Ging die Arbeitslosigkeit kurz vor Rentenbeginn auf eine Insolvenz oder Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers zurück, wurde die Zeit der Arbeitslosigkeit doch noch zu den 45 Versicherungsjahren gerechnet.
In den jetzt entschiedenen Fällen war einem Versicherten wegen einer drohenden Insolvenz im Alter von 62 Jahren gekündigt worden, er wurde arbeitslos. Als er abschlagsfrei mit 63 Jahren in Rente gehen wollte, lehnte die Rentenversicherung das ab. Zwar sei der Arbeitgeber tatsächlich in Insolvenz gegangen. Der Versicherte sei aber kurz vorher schon gekündigt worden. Die Zeit der Arbeitslosigkeit könne daher nicht auf die für den Rentenanspruch erforderlichen 45 Beitragsjahre angerechnet werden, lautete die Argumentation. Der Kläger hatte nach dieser Sichtweise die nötigen Beitragsjahre nicht erreicht.
Im zweiten Fall hatte ein bei der Daimler AG beschäftigter Kläger aus gesundheitlichen Gründen einen Aufhebungsvertrag unterschrieben. Die folgende Zeit der Arbeitslosigkeit wurde ebenfalls nicht auf die 45 Beitragsjahre angerechnet. Eine abschlagsfreie Rente wurde daher abgelehnt.
Zu Recht, wie das BSG urteilte, das die Bestimmungen für verfassungsgemäß hält. Der Gesetzgeber habe festgelegt, dass zwei Jahre vor Rentenbeginn nur dann Zeiten der Arbeitslosigkeit berücksichtigt werden dürfen, wenn sie auf eine Insolvenz oder eine Geschäftsaufgabe zurückgehen. Würde nicht der Insolvenzantrag, sondern eine drohende Insolvenz ausreichen, bestünde Missbrauchsgefahr. Denn, so die Richter: Arbeitgeber und Arbeitnehmer könnten die Insolvenzgefahr vortäuschen, um einen abschlagsfreien Renteneintritt zu erreichen.
Es verstoße zudem nicht gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes, dass auch Versicherte, die aus gesundheitlichen Gründen kurz vor Rentenbeginn in die Arbeitslosigkeit geraten, diese Zeiten nicht für eine abschlagsfreie Rente anrechnen lassen können, befand das BSG.
Der vom VdK Sozialverband vertretene Kläger im zweiten Fall kündigte an, voraussichtlich Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil einzulegen.
Az.: B 5 R 8/16 R und B 5 R 16/16 R