sozial-Branche

Kliniken

Gastbeitrag

"Bundeseinheitliche Personalvorgaben lösen Probleme nicht"




Franz Graf von Harnoncourt
Malteser/Andreas Köhring
Absolut bezifferte Personaluntergrenzen und bundeseinheitliche Personalvorgaben werden die Personalprobleme in Kliniken nicht lösen. Nötig seien flankierende Maßnahmen, um die Zahl tatsächlich verfügbarer und qualifizierter Fachkräfte zu erhöhen, schreibt Franz Graf von Harnoncourt, Geschäftsführer der Malteser Deutschland gGmbH, in seinem Gastbeitrag für epd sozial.

Gute Rahmenbedingungen für mehr Versorgungsqualität kommen nicht ohne die Chance zu individueller Personalentwicklung aus, attraktive Arbeitsplätze nicht ohne Qualifikationen und auskömmliche Finanzierung. Mit der verpflichtenden Regelung zu Pflegepersonaluntergrenzen greift der Gesetzgeber aber in die Organisationshoheit der Krankenhausträger ein.

Unabhängig von der mangelnden Refinanzierung der Personalkosten führt der zunehmende Fachkräftemangel auf dem aktuellen Arbeitsmarkt dazu, dass in vielen Krankenhäusern Pflege- und Arztstellen nicht zeitnah besetzt werden können. Ein spürbar verschärfter Rationalisierungsdruck ist die Folge. Selbst der leichte Anstieg der Beschäftigtenzahlen der letzten Jahre gleicht die zunehmende Arbeitsverdichtung bei der Versorgung wachsender Patientenzahlen nicht aus.

Auf den Skill -und Qualifikationsmix kommt es an

Hingegen wirkt sich ein guter Skill- und Qualifikationsmix des Personals positiv auf die Versorgungsqualität eines Krankenhauses aus. Verbesserte Arbeitsbedingungen und Qualifikationen im Wettbewerb um Nachwuchs- und Fachkräfte in Medizin und Pflege sind ein wichtiger Anreiz zur Steigerung der Arbeitsplatzattraktivität. Um eine bedarfsgerechte, sensible Behandlung steigender Patientenzahlen zu ermöglichen, sollten beabsichtigte Verbesserungen "mehr Pflege am Bett" gewährleisten.

Dazu aber braucht es geeignete Instrumente, um den besonderen Pflegebedarf zu definieren, die darauf abgestimmten Leistungen zu ermitteln und den Personaleinsatz zu bemessen - nicht nur quantitativ, sondern vor allem qualitativ.

Absolut bezifferte Personaluntergrenzen und bundeseinheitliche Personalvorgaben werden die Probleme selbst in besonders pflegesensitiven Bereichen nicht lösen. Nötig sind flankierende Maßnahmen, um die Zahl tatsächlich verfügbarer und qualifizierter Fachkräfte in den Kliniken zu erhöhen. Finanzielle Sanktionen für Kliniken, die die Personalvorgaben nicht erfüllen können, wirken zusätzlich kontraproduktiv.

Individuelles Handeln braucht Flexibilität

Kliniken benötigen Flexibilität, um je nach Gegebenheiten vor Ort individuell verhandeln zu können. Um gegen den Fachkräftemangel in Medizin und Pflege erfolgreich vorzugehen, bedarf es der deutlichen Ausweitung von Studienplätzen und Ausbildungskapazitäten, einer nachhaltigen Reform der Pflegeausbildung ebenso wie des Abbaus sektoraler Grenzen - nicht zuletzt mittels digitaler Kompetenz.

Eine verlässliche Refinanzierung der Personalkosten ist nicht in Sicht, eine ausreichende Anzahl verfügbarer Fachkräfte auch nicht. Sanktionen dürfen daher nur ultima ratio sein. Sicherlich braucht der verständliche Schritt, Pflege durch neue Personalstrukturen stärken zu wollen, Begleitung durch das Pflegeberufereformgesetz. Konsequenterweise zu unterstützen, ist daher eine eigenständige, bundesweit geregelte zweijährige Assistenzausbildung, die den Erfordernissen am Arbeitsmarkt entspricht und attraktive Weiterbildungsmöglichkeiten für die Absolventen eröffnet.

Das Gesetz ist noch vor der Sommerpause verabschiedet worden. Die ergänzend nötige, aber verfahrenstechnisch getrennte Verordnung, die die Inhalte im Einzelnen regelt, soll erst der neue Bundestag Anfang der nächsten Legislaturperiode auf den Weg bringen.

"Personal ist Qualität"

Christliche Krankenhäuser investieren viel in die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Personal ist Qualität. Um die Patientensicherheit und die Prozessoptimierung zu stärken, fördern nicht nur die Malteser das Miteinander von Ärzten und Pflegekräften, insbesondere aber die Substitution und Delegation ärztlicher Tätigkeiten. Bundeseinheitliche Regelungen wären wünschenswert.

Der Leitfaden der Malteser zu Substitution und Delegation etwa hat die Zustimmung der Bundesärztekammer gefunden. Aus den Themen, die ein neues flexibles Miteinander verlangen, um näher am Patienten zu sein und seine Versorgung noch besser sichern zu können, wird ein zentrales: Die flächendeckende Notfallversorgung muss dringend neu geregelt werden.

Die Krankenhäuser stehen zu ihrer Verantwortung für die Menschen in den Städten und Gemeinden. Aber statt deswegen Diskussionen um die Vertiefung der Sektorengrenzen zu führen, sollten gemeinsam Lösungen mit einem übergreifenden Budget gefunden werden. Darüber hinaus wäre zu überlegen, ob kleine Kliniken in strukturschwachen Gegenden für die ambulante Versorgung geöffnet werden könnten.

Die Rechte der Patienten sind an den Fragen der Zeit weiterzuentwickeln. Im digitalen Zeitalter wachsen die Chancen auf ganz individuelle Diagnostik und Versorgung. Die Krankenhäuser brauchen für die notwendige Digitalisierung allerdings dringend finanzielle Unterstützung. Der Individualität des Patienten muss auch ein Qualitätsbegriff entsprechen, der seine Lebensqualität in den Blick nimmt. Denn die Würde des Patienten bleibt unteilbar.

Franz Graf von Harnoncourt ist Geschäftsführer der Malteser Deutschland gGmbH

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