Ausgabe 31/2017 - 04.08.2017
Karlsruhe (epd). Alternativmediziner müssen bei schweren Eingriffen nicht nur alternative, sondern auch schulmedizinische Behandlungen im Blick haben. Sie sind verpflichtet, die Folgen der einzelnen Behandlungsmöglichkeiten miteinander abzuwägen, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am 24. Juli veröffentlichten Urteil.
Im konkreten Fall hatte eine Frau aus dem Raum Frankenthal geklagt. Ein ganzheitlicher Zahnmediziner hatte ihr nach einer "Herd- und Störfeldtestung" diagnostiziert, dass wegen Entzündungsherden Eiweißgifte in den Körper gelangen. Der Zahnarzt zog ihr schließlich alle Backenzähne im Oberkiefer und verordnete eine Prothese.
Die Patientin vermutete schließlich einen Behandlungsfehler. Ein anderer Zahnarzt hielt die Behandlung seines Kollegen für fragwürdig. Daraufhin verlangte die Frau von dem Alternativ-Zahnmediziner die Rückzahlung des gezahlten Honorars, die Erstattung von Folgebehandlungskosten sowie Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 5.000 Euro. Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken gab dem weitgehend statt.
Der BGH verwies das Verfahren an das OLG zur erneuten Prüfung zurück, da dieses einen Gutachter herangezogen hatte, der nicht mit ganzheitlicher Zahnmedizin vertraut war. Nicht allgemein anerkannte Therapieformen seien aber rechtlich erlaubt, vorausgesetzt, die Patienten wissen, auf was sie sich einlassen, urteilte der BGH. Auch dürfe die Behandlungsmethode nicht gegen die guten Sitten verstoßen. Von einem Behandlungsfehler dürfe bei der Alternativmedizin nicht von vornherein ausgegangen werden.
Allerdings müssten Alternativmediziner insbesondere bei schweren Eingriffen, wie im vorliegenden Fall, immer auch schulmedizinische Behandlungen im Blick haben und die Vor- und Nachteile mit alternativen Behandlungsmethoden abwägen. Ob dem Zahnarzt dem gerecht geworden ist, müsse neu geprüft werden, so der BGH.
Az.: VI ZR 203/16