Ausgabe 31/2017 - 04.08.2017
Berlin (epd). Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) betont Mascher den Einfluss des Verbandes auf Gesetzesreformen in der Vergangenheit. "Unser Ziel ist es, dass zentrale Forderungen der VdK-Aktion 'Soziale Spaltung stoppen!' in den Koalitionsvertrag der nächsten Bundesregierung einfließen und eingelöst werden." Kampfgeist und Mobilisierungsfähigkeit in allen Verbandsstufen seien wichtige Erfolgsfaktoren, um als sozialpolitische Interessenvertretung wahrgenommen zu werden. Die Fragen stellte Dirk Baas.
epd sozial: Der Sozialverband VdK Deutschland hat zur Bundestagswahl die Kampagne "Soziale Spaltung stoppen" gestartet, mit der für eine andere Sozialpolitik geworben wird? Wer ist der Adressat?
Ulrike Mascher: Unsere Aktion richtet sich an Politik, Medien, VdK-Mitglieder und Nichtmitglieder. Wir wollen unsere Vorstellungen von einer gerechten Sozialpolitik deutlich machen. Dabei machen wir öffentlichkeitswirksam auf Missstände aufmerksam, zeigen aber auch Lösungswege auf.
epd: Ihr Forderungskatalog ist recht dick, es geht um Armut, Rente, Steuern, Gesundheit, Pflege und Behinderung. Wo sehen Sie den dringendsten Handlungsbedarf?
Mascher: Es gibt noch etliche Baustellen in der Sozialpolitik, an der die nächste Bundesregierung mit Nachdruck arbeiten muss. Vor allem im Bereich der Rentenpolitik gibt es weiterhin genug zu tun. Deshalb fordern wir, dass die Talfahrt des Rentenniveaus endlich gestoppt und das Rentenniveau perspektivisch auf 50 Prozent angehoben wird. Die Kürzungsfaktoren in der Rentenformel müssen abgeschafft werden, damit die Renten wieder parallel zu den Löhnen steigen. Eine weitere zentrale Maßnahme im Kampf gegen Altersarmut ist die Abschaffung der Abschläge für Erwerbsminderungsrentner.
epd: Was ist mit den Mängeln im Gesundheitswesen?
Mascher: Von der zukünftigen Gesundheitspolitik erwarten wir eine zügige Entlastung der Versicherten. Konkret müssen die einseitigen Belastungen der Versicherten, insbesondere durch Zuzahlungen und Zusatzbeiträge, abgeschafft und die gesetzliche Krankenversicherung wieder solidarisch finanziert werden.
epd: Wie schätzen Sie ihre Einflussmöglichkeiten ein, denn eine direkte Wahlempfehlung geben Sie ja nicht?
Mascher: Unser Einfluss ist groß und bleibt es. Dazu trägt die Präsenz in den Medien bei vielen verschiedenen sozialpolitischen Themen, unsere Lobbyarbeit, die Größe und das Wachstum des Verbands bei. Wie kaum ein anderer Interessenverband konnte der VdK in den letzten Jahren sozialpolitisch wichtige Weichen stellen. Die Anhebung der Mütterrente, die Fortschritte bei der Erwerbsminderungsrente, die Verbesserungen für Demenzkranke durch die Pflegereform oder die Einführung des Mindestlohns: Den Anstrengungen des mit über 1,8 Millionen Mitgliedern stärksten Sozialverbands in Deutschland ist es mit zu verdanken, dass diese Gesetzesänderungen durchgesetzt werden konnten.
epd: Im Wahlkampf werden alle großen Sozialverbände aktiv. Dienen deren Initiativen nicht auch dazu, im Gespräch zu bleiben und den Mitgliedern zu signalisieren: "Wir tun etwas"?
Mascher: Ja natürlich, aber nicht nur alle vier Jahre. Das "Wir tun etwas" beeinflusst positiv die Mitgliederbindung und stärkt den Bekanntheitsgrad. Unsere Mitglieder wollen, dass wir den Finger in die Wunden legen und auf Missstände aufmerksam machen. Kampfgeist und Mobilisierungsfähigkeit in allen Verbandsstufen sind dabei wichtige Erfolgsfaktoren, um als sozialpolitische Interessenvertretung wahrgenommen zu werden und Einfluss auf politische Entscheidungsträger zu nehmen.
epd: Kommen solche Aktionen nicht zu spät: Die Wahlprogramme der Parteien sind doch längst gedruckt?
Mascher: Unser Ziel ist es, dass zentrale Forderungen der VdK-Aktion in den Koalitionsvertrag der nächsten Bundesregierung einfließen und eingelöst werden. In den letzten Wochen hat die VdK-Aktion bereits in allen Landesverbänden Fahrt aufgenommen. In der heißen Phase folgen nun weitere Großveranstaltungen, Messen, Gesundheitstage oder Stadtfeste, die genutzt werden, um unsere Forderungen in die Fläche zu tragen. Viele Orts- und Kreisverbände organisieren Veranstaltungen, zu denen die Kandidaten des Wahlkreises eingeladen sind.
epd: Ist es eigentlich sinnvoll, dass die Sozialverbände mit vielen unterschiedlichen Stimmen sprechen? Warum gibt es keine konzertierte Aktion für einen Politikwechsel?
Mascher: Wir arbeiten mit Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbänden eng zusammen und beteiligen uns an vielen themenbezogenen Bündnissen. Aber es ist auch wichtig, dass jede Organisation ihre eigenen Schwerpunkte deutlich macht. Unser Eindruck ist, dass die unterschiedlichen Stimmen sich eher verstärken und sich nicht auseinanderdividieren lassen.