Ausgabe 31/2017 - 04.08.2017
Berlin (epd). Der 24. September rückt näher und nicht nur die Parteien sind im Wahlkampfmodus. Auch die Sozialverbände machen mobil. Sie leisten mit eigenen Kampagnen "Aufklärungsarbeit" - nicht ganz uneigennützig. Der Sozialverband VdK Deutschland hat einen "Kandidatentest" gestartet, der SoVD einen digitalen "Werkzeugkasten" veröffentlicht, der auch Argumente für Diskussionen mit Politikern liefern soll. Und es gibt "Wahlprüfsteine" und einen "Wahlcountdown". Doch was bringt das? Und welchen Sinn sehen die Verbände selbst darin?
SoVD-Präsident Adolf Bauer fordert selbstbewusst von den Parteien, "Farbe zu unseren Positionen zu bekennen. Wir wollen fundierte Argumente und einen sachlichen Diskurs anstatt populistischer Sprüche." Und markig fügt er hinzu: "Wir erteilen einem 'Weiter so!' eine klare Absage." Denn der sozialpolitische Handlungsbedarf sei enorm.
Damit die Wähler, darunter auch die nach eigenen Angaben 560.000 SovD-Mitglieder, im Herbst auf dem Wahlzettel ihr Kreuz an der richtigen Stelle machen, will die Organisation nichts dem Zufall überlassen. Sie hat den digitalen Werkzeugkoffer entwickelt: Der mache "den sozialpolitischen Test der Kandidatinnen und Kandidaten einfach". Die Internet-Broschüre enthält zudem ein Glossar wichtiger Begriffe der Sozialpolitik, Argumentationskarten für mögliche Diskussion, Checklisten und Mustertexte.
Die eigene Stimmenmacht will auch der VdK nutzen. Er hat seine Kampagne unter das Motto "Soziale Spaltung stoppen!" gestellt. Präsidentin Ulrike Mascher: "Wir haben über 1,8 Millionen Mitglieder, die zugleich Wählerinnen und Wähler sind. Und deren Interessen haben wir im Blick, wenn wir die Bundestagskandidatinnen und -kandidaten zur sozialen Gerechtigkeit befragen."
Deutlich zurückkaltender kommt die Caritas daher. "Wählt Menschlichkeit" hat der katholische Wohlfahrtsverband seine Initiative zur Wahl überschrieben. Man wolle "sensibilisieren für die Werte und Regeln, die ein gelingendes Zusammenleben ermöglichen, und für die Frage, wie sich dies in den Programmen der Parteien zeigt", sagt Pressesprecherin Claudia Beck. Es gehe ausdrücklich nicht darum, eine Wahlempfehlung auszusprechen.
Das sei so direkt auch gar nicht nötig, sagt der Münchner Politikwissenschaftler Michael Koß. "Auch ohne, dass man, wie früher direkt von der Kanzel herab sagt, wer gewählt werden soll", dienten solche Initiativen "als politischer Hebel im weiteren Sinne", sagte er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Dass die großen Verbände mit ihren Aktionen Druck auf die Wahlkandidaten ausüben, gehöre zum politischen Alltagsgeschäft, betont der Forscher: "Ich finde das überhaupt nicht ehrenrührig. Im Gegenteil. Wir leben im Pluralismus. Wir haben ja nicht nur die Parteien, sondern auch die Verbände, die an der politischen Willensbildung mitwirken sollen." Koß bezweifelt jedoch, dass die Sozialverbände in heißen Wahlkampfzeiten noch nennenswerten Einfluss auf die Programme der Parteien nehmen können: "Wenn jetzt spezielle Forderungen erhoben werden, kann ja etwa die SPD ihr Wahlprogramm nicht mehr ändern."
Müssen sie auch nicht, betont VdK-Chefin Mascher: "Unser Ziel ist es, dass zentrale Forderungen der Aktion in den Koalitionsvertrag der nächsten Bundesregierung einfließen und eingelöst werden." Vor allem im Bereich der Rentenpolitik gebe es weiterhin genug zu tun.
Mascher räumt ein, dass die Kampagnen zur Wahl durchaus einen Selbstzweck verfolgen, ganz unter dem Motto: "Wir tun etwas." Diese Initiativen hätten positiven Einfluss auf die Mitgliederbindung und stärkten den Bekanntheitsgrad. Doch ganz unabhängig davon betont die Präsidentin: "Unser Einfluss ist groß und bleibt es."
Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, sagt: "Wahlprüfsteine alleine verpuffen völlig, wenn sie nicht mit einer konkreten Kommunikations- und Aktionsstrategie unterlegt sind." Ziel solcher Instrumente seien daher nie alleine die Politiker oder die Verbandsmitglieder, sondern die breite Öffentlichkeit.
Sein Verband werde im August und September eigene Konzepte zur Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik sowie zur Mietpreisbremse vorlegen und abschließend gemeinsam mit Bündnispartnern aktuelle Umfrageergebnisse zum Thema Umverteilen veröffentlichen. Zudem habe der Paritätische im Internet ein Wahltool programmiert. Das solle "Orientierung über die sozialpolitischen Aussagen der Parteien geben und letztlich zum Wahlgang motivieren."