Ausgabe 25/2017 - 23.06.2017
Karlsruhe (epd). Der TÜV Rheinland muss nicht für tausendfach eingesetzte mangelhafte Brustimplantate des mittlerweile insolventen französischen Hersteller PIP haften. Zwar war der TÜV zur Prüfung des Qualitätssicherungssystems bei PIP beauftragt worden, er habe aber keine unangemeldeten Kontrollen durchführen, Geschäftsunterlagen sichten oder das Medizinprodukt selbst prüfen müssen, urteilte am 22. Juni der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Betroffene Frauen gehen als Folge des Urteils mit ihren Schmerzensgeld- und Schadenersatzansprüchen nun leer aus.
Nach Schätzung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) haben sich in Deutschland bis zu 6.000 Frauen ihre Brüste mit PIP-Implantaten vergrößern lassen, in Frankreich waren es nach Behördenschätzung 30.000. Das Problem: Der französische Hersteller Poly Implant Prothèse (PIP) hatte billiges Industriesilikon für die Implantate verwendet.
Als sich Berichte über geplatzte und undichte Silikonkissen häuften, stoppten die französischen Behörden im April 2010 den Verkauf. 2012 empfahl das BfArM den betroffenen Frauen in Deutschland, sich die Silikonimplantate wieder operativ entfernen zu lassen.
Auch die Klägerin beim BGH ließ sich die Implantate wieder entfernen und verlangte nun Schadenersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 Euro. Da PIP insolvent ist, sei der TÜV Rheinland in der Pflicht. Dieser habe fehlerhaft den Hersteller überprüft und ihn dennoch zertifiziert.
Der TÜV war sich keiner Schuld bewusst. Er habe beim Hersteller acht angemeldete Kontrollen durchgeführt. Dabei sei immer das für Brustimplantate üblich verwendete Spezialsilikon vorrätig gewesen, so dass das europäische CE-Zertifikat erteilt wurde. Der TÜV habe nur das von der Herstellerfirma eingerichtete Qualitätssicherungssystem und nicht die hergestellten Produkte selbst überprüfen müssen.
Der BGH hatte das Verfahren am 9. April 2015 dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg vorgelegt. Dieser hatte am 16. Februar 2017 entschieden, dass bei der Vergabe des europäischen CE-Zertifikats für die Herstellung von Medizinprodukten keine unangemeldeten Inspektionen durchgeführt, keine Geschäftsunterlagen gesichtet und auch das Endprodukt nicht geprüft werden müssen (AZ: C-219/15). Solch eine Prüfung sei nur bei konkreten Hinweisen über mangelhafte Medizinprodukte erforderlich.
Nach den EuGH-Vorgaben hat der TÜV Rheinland seine Prüfpflichten danach nicht schuldhaft verletzt, urteilte nun der BGH. Denn zum Zeitpunkt der Zertifizierung habe es noch keine Hinweise auf mangelhafte Brustimplantate gegeben, so dass der TÜV auch nicht weitere Prüfungen hätte vornehmen müssen.
Az.: VII ZR 36/14