sozial-Recht

Bundesgerichtshof

Abgeschlossene Heim-Außentür ist Freiheitsentzug




Eine Tür wird verschlossen.
epd-bild/Friedrich Stark
Das Verriegeln einer Außentür in einem Heim für Menschen mit Behinderung muss von einem Gericht gestattet werden. Freiheitsentziehung ist nur unter strengen Voraussetzungen zulässig.

Nur bei einer ernstlichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben des Betreuten in einer Behinderteneinrichtung darf die Außentür ohne Zustimmung des Bewohners abgeschlossen werden, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am 20. Juni veröffentlichten Beschluss. Konkret ging es in dem Fall um eine schwer geistig behinderte Rollstuhlfahrerin, die am sogenannten Coffin-Lowry-Syndrom erkrankt ist. Es besteht zudem eine Epilepsie, sprachlich äußern kann sie sich nur sehr schwer.

Die Schwester ist die Betreuerin

Seit Juni 1999 ist die Frau in einer speziellen Wohneinrichtung untergebracht. Wegen ihrer Einschränkungen kann sie nur in einer Fördergruppe ihres Wohnheims mit Bastelarbeiten beschäftigt werden.

Wegen ihrer Behinderung ist die Schwester zur Betreuerin bestimmt worden. Diese hatte im August 2015 beim Amtsgericht Eckernförde die Verlängerung der geschlossenen Unterbringung der Betroffenen in der Wohneinrichtung beantragt. Dabei wurde die Außentür der Einrichtung so verschlossen, dass die Rollstuhlfahrerin nicht auf eigene Faust auf die Straße fahren konnte. Um die Rechte der Frau in dem Verfahren gewährleisten zu können, bestellte das Amtsgericht einen sogenannten Verfahrenspfleger.

Dieser hielt die freiheitsentziehende Maßnahme der geschlossenen Unterbringung jedoch für rechtswidrig. Die gerichtliche Genehmigung der Maßnahme sei nur bei einer konkreten Gefahr für Leib und Leben der Betroffenen zulässig. Hier habe die Rollstuhlfahrerin bislang aber keinerlei Versuch unternommen, die Einrichtung eigenmächtig zu verlassen.

Eine "hochgradige Gefahr"

Gutachter kamen jedoch zu einem anderen Schluss. Danach könne die geistig behinderte Frau durchaus spontan den Ort verlassen. Es bestehe damit die Gefahr, dass sie aus der offenen Einrichtung wegfahren könnte und sich im Straßenverkehr gefährden würde. Eine "hochgradige Gefahr eines erheblichen gesundheitlichen Schadens" sei die Folge.

Nach einem vergeblichen Versuch, ein persönliches Gespräch mit der Betroffenen zu führen, hatte das Amtsgericht schließlich die geschlossene Unterbringung für zwei Jahre genehmigt. Die dagegen eingelegte Beschwerde wurde vom Landgericht zurückgewiesen.

Der BGH bestätigte nun die Entscheidungen der Vorinstanzen. Die für die Frau verschlossene Außentür stelle zwar eine Freiheitsentziehung dar, so dass die geschlossene Unterbringung genehmigt werden müsse. Dies haben Amts- und Landgericht aber zu Recht so angeordnet. Für die Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung sei keine akute, unmittelbar bevorstehen Gefahr des Betreuten erforderlich. Es reiche eine Gefahr für Leib und Leben und damit bestehende konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens aus. Dies sei hier der Fall.

Az.: XII ZB 577/16

Frank Leth

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