Ausgabe 15/2017 - 13.04.2017
Karlsruhe (epd). Es ist ein Geschäftsmodell bei Online-Computerspielen, dem vor allem Kinder und Jugendliche zum Opfer fallen und den Familienfrieden auf eine harte Probe stellt. Denn rufen Kinder eine kostenpflichtige 0900-Nummer an, um auf diese Weise Erweiterungen für das Spiel zu erhalten, kommen schnell hohe Telefonrechnungen zusammen. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat in einem am 6. April verkündeten Urteil die ahnungslosen Eltern nun aus der Haftung genommen.
Konkret ging es um einen 13-Jährigen aus dem Raum Delmenhorst, der über das Internet am heimischen PC ein kostenfreies Online-Spiel spielte. Um im Kampf gegen andere Spieler bestehen zu können, wollte er seinem Spielcharakter über den im Spiel enthaltenen Shop neue Ausrüstungsgegenstände gönnen. Diese musste er gegen echtes Geld kaufen, entweder mit Hilfe einer Kreditkarte oder mit dem Anruf einer kostenpflichtigen 0900-Telefonnummer.
Der 13-Jährige rief daraufhin 21-mal die Rufnummer an und erhielt Codes genannt, um die gewünschten virtuellen Gegenstände im Spiel freischalten zu können. Die Mutter des Jungen fiel dann aus allen Wolken, als sie die Telefonrechnung erhielt. 1.253 Euro sollte sie bezahlen.
Das Amtsgericht Delmenhorst und das Landgericht Oldenburg entschieden, dass die Mutter den Betrag bezahlen müsse. Zwar sei der 13-Jährige noch nicht geschäftsfähig, die Mutter hätte aber besser aufpassen müssen.
Nach dem BGH-Urteil muss die Frau nun doch nicht zahlen. Es habe sich hier um einen nicht autorisierten Zahlungsvorgang gehandelt. Die Mutter habe dem Sohn weder erlaubt, dass er die Computerspiel-Gegenstände per Telefon bezahlt, noch sei davon auszugehen, dass die Frau die Nutzung der 0900-Premiumdienste gebilligt habe. Nach den gesetzlichen Bestimmungen müsse der Anschlussinhaber in solch einem Fall nicht haften, entschied der BGH.
"Bei den 0900-Mehrwert-Premiumdiensten geht es meist um den schnellen Euro", warnt Boris Wita, Referent für Verbraucherrecht bei der Verbraucherzentrale Schleswig Holstein. Liegt dann eine horrende Telefonrechnung im Briefkasten, weil der Filius Gegenstände oder Erweiterungen für ein Online-Spiel über das Telefon gekauft hat, "fällt der Urlaub schon mal flach. Die Problematik zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten", sagt Wita.
"Eltern haben meist keine Kenntnisse über die Möglichkeiten von Computer, Smartphone und Internet, aber ein Unrechtsbewusstsein. Bei Kindern ist es meist umgekehrt." Kinder und Jugendliche wüssten immer genau, was man alles mit Computer und Smartphone machen könne. "Kaufen sie dann über eine 0900-Nummer Dinge ein, wissen sie über die Rechtsfolgen nichts", sagt Wita. Schließlich bezahle ja Mama oder Papa.
Ist das Geld dann abgebucht, kostet es Nerven, es wieder zurückzubekommen. "Schwierig wird es, wenn der 0900-Zahlungsdienstleister im Ausland wie den Vereinigten Arabischen Emiraten sitzt", warnt der Verbraucherschützer. Da sei das Geld oft weg. Eltern könnten sich auch nicht unbedingt darauf verlassen, ihr Kind über die Nutzung der 0900-Nummern aufzuklären. "Oft kommen Eltern mit hohen Telefonrechnungen zu Beratung und weisen darauf hin, dass sie ihr Kind eigentlich ermahnt haben, die teuren Rufnummern nicht zu wählen", berichtet Wita.
Einen effektiven Schutz biete daher nur die komplette Sperre der kostenpflichtigen "Premium-Mehrwertdienste". Die Sperre sei auch kostenfrei. In diesem Fall können Verbraucher dann nicht mehr die über 86.000 in Deutschland registrierten 0900-Nummern nutzen, sind dann aber auch vor unliebsamen hohen Telefonrechnungen besser geschützt.
Derzeit sei die Nutzung der teuren Rufnummern aber von vornherein freigeschaltet. Dabei könne es der Gesetzgeber den Verbrauchern viel leichter machen. "Die kostenpflichtigen Premium-Mehrwertdienste müssten einfach nur von vornherein gesperrt sein", sagt Wita. Wolle ein Telefon-Anschlussinhaber die 0900-Nummern dennoch nutzen, könne er diese per Antrag freischalten lassen. Auf dieses verbraucherfreundliche Vorgehen habe der Gesetzgeber jedoch verzichtet.
Az.: III ZR 368/16