sozial-Recht

Bundesgerichtshof

Vernichteter Pass kein Grund für lange Abschiebehaft



Ein vor der Einreise nach Deutschland weggeworfener Pass ist kein Grund, einen Flüchtling länger als sechs Monate in Abschiebehaft zu nehmen. Eine Haft von mehr als sechs bis maximal 18 Monate sei nur zulässig, wenn der Ausländer mit seinem Verhalten seine Abschiebung ursächlich "verhindert" hat, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss. Dazu gehöre aber nicht ein vor der Einreise vernichteter Pass.

Im konkreten Fall reiste zum wiederholten Mal ein Marokkaner unerlaubt in Deutschland ein. Um die Abschiebung sicherzustellen, durfte der Mann bis zu sechs Monate in Abschiebehaft genommen werden. Nach Ablauf der Frist wurde die Haft noch einmal um zwei Wochen verlängert.

Das Landgericht Traunstein hielt dies für zulässig. Der Ausländer habe vor seiner Einreise nach Deutschland seinen Pass ins Meer geworfen. Damit habe er seine spätere Abschiebung "verhindert". Das Gesetz sehe bei einer "Verhinderung" der Abschiebung eine Abschiebehaft von über sechs Monaten vor.

Dem widersprach nun der BGH. Allein ein vor der Einreise weggeworfener Pass könne eine solch lange Abschiebehaft nicht rechtfertigen. Eine Haft von mehr als sechs Monaten dürfe nur ausnahmsweise angeordnet werden. Dazu müsse ein "pflichtwidriges Verhalten" ursächlich für die nicht mögliche Abschiebung sein. Trödelnde ausländische Behörden bei der Ausstellung von Ersatzpapieren seien kein Grund.

Eine längere Haft sei insbesondere bei einem Verhalten möglich, mit dem eine anstehende konkrete Abschiebung vereitelt werden soll. Ein vor der Einreise weggeworfener Pass begründe die längere Haft nicht, so der BGH. Mittlerweile wurde der Mann tatsächlich nach Marokko abgeschoben.

Az: V ZB 99/16


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