sozial-Recht

Bundesarbeitsgericht

Ausgeliehene Rotkreuz-Schwestern sind Arbeitnehmerinnen




Rotkreuz-Schwestern bei der Arbeit.
epd-bild/Holger Gross
Rotkreuz-Schwestern sind nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21. Februar Arbeitnehmerinnen im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Das hat Folgen für die Praxis des Ausleihens an Kliniken, die nicht zum DRK gehören.

Nach dieser Entscheidung dürfen die bundesweit rund 18.000 an Kliniken ausgeliehenen Schwestern nur mit Zustimmung des jeweiligen Betriebsrates weiterarbeiten, befand das Gericht in Erfurt. Werden die Krankenschwestern an eine Klinik ausgeliehen, die nicht zum Deutschen Roten Kreuz gehört, handelt es sich dem Urteil zufolge um eine erlaubnispflichtige Leiharbeit, für die die Zustimmung des Betriebsrates erforderlich ist. Die Gewerkschaft ver.di begrüßte das Urteil, die DRK-Schwesternschaft zeigte sich enttäuscht.

Die Erfurter Richter folgten einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in Luxemburg vom 17. November 2016 (AZ: C-216/15). Konkret ging es um die Ruhrlandklinik in Essen, ein Lungenzentrum des Universitätsklinikums Essen. Diese hatte mit der DRK-Schwesternschaft einen "Gestellungsvertrag" geschlossen. Für die Überlassung der Schwestern wurden die Personalkosten und eine Verwaltungspauschale gezahlt.

Betriebsrat lehnte Ausleihe ab

Der Betriebsrat verweigerte jedoch die Zustimmung. Bei solch einem Einsatz von Rotkreuz-Schwestern handele es sich um Leiharbeit, die nach dem Gesetz befristet werden müsse. Hier sei die Gestellung der Rotkreuz-Krankenschwestern aber unbefristet geplant. Die Klinik bestritt, dass es sich um Leiharbeiter handele. Die Rotkreuz-Schwesternschaft sei ein eingetragener Verein ohne Gewinnabsicht. Formal seien die Schwestern keine Arbeitnehmer, hieß es zur Begründung.

Der EuGH hatte geurteilt, dass die EU-Leiharbeitsrichtlinie bei einem "Beschäftigungsverhältnis" anzuwenden sei. Es müsse eine "wirtschaftliche Tätigkeit" vorliegen. Das sei bei der Schwesternschaft der Fall, die ihr Pflegepersonal gegen ein Entgelt anderen Kliniken überlässt.

Das Bundesarbeitsgericht entschied daraufhin, dass die Überlassung von Rotkreuz-Schwestern an Kliniken, die nicht zum Roten Kreuz gehören, eine Arbeitnehmerüberlassung darstellt. Dieser Leiharbeit müsse der Betriebsrat zustimmen. Verweigere der Betriebsrat seine Zustimmung, können die Rotkreuz-Schwestern nicht mehr in dem eingesetzten Krankenhaus weiterarbeiten.

Nahles machte Zugeständnisse

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hatte DRK-Präsident Rudolf Seiters in Erwartung des Urteils bereits eine Gesetzesänderung versprochen. Während reguläre Leiharbeiter maximal 18 Monate an einen Betrieb verliehen werden dürfen, soll eine solche Befristung für Rotkreuz-Schwestern nicht gelten. Diese Lösung bewegt sich laut Nahles in den Grenzen europarechtlicher Vorgaben.

"Wir bedauern, dass das Gericht nach mehr als 60 Jahren gleichlautender Rechtsprechung seine bisherige Rechtsauffassung nicht aufrechterhalten hat", sagte Generaloberin Gabriele Müller-Stutzer, Präsidentin des Verbandes der Schwesternschaften vom DRK. Deshalb sei es umso wichtiger, dass Nahles eine Ausnahmeregelung zugesagt habe: "Damit könnte die Zusammenarbeit zwischen DRK-Schwesternschaft und Gestellungspartner zum Wohl der Patienten und Bewohner fortgesetzt werden."

Ver.di: Sonderstatus ist abwegig

Die Gewerkschaft ver.di bezweifelt indes, ob es zu einer solchen Regelung kommen kann. Sie betonte, mit dem Urteil werde in Zukunft die dauerhafte Ausleihe von DRK-Schwestern an einzelne Einrichtungen auch außerhalb des DRK beendet. "DRK-Schwestern müssen in Zukunft mit den Beschäftigten der Einsatzbetriebe gleichgestellt, oder noch besser, in diese Betriebe übernommen werden. Wir bieten den DRK-Schwesternschaften erneut an, gemeinsam gute tarifliche Regelungen für den Übergang zu finden und die Ansprüche der Betroffenen zu sichern", sagte Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler.

Für vollkommen abwegig hält ver.di die Ankündigung von Nahles, den Sonderstatus der Schwesternschaften auf Grundlage einer Änderung des DRK-Gesetzes zu erhalten. "Eine solche Sonderregelung wäre nicht EU-rechtskonform", so Bühler.

AZ: 1 ABR 62/12

Frank Leth, Dirk Baas

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