sozial-Recht

Oberlandesgericht

"Behindertentestament" nicht sittenwidrig



Das Oberlandesgericht Hamm hat die Wirksamkeit eines sogenannten Behindertentestaments bestätigt. Es sei nicht sittenwidrig, dass vermögende Eltern eines behinderten Kindes diese spezielle Form der Nachlassregelung wählten, heißt es in dem am 15. Februar in Hamm veröffentlichten Urteil. Ein Erblasser könne im Rahmen seiner sogenannten "Testierfreiheit" ein behindertes Kind bei der Erbfolge benachteiligen oder sicherstellen, dass das Kind weiter staatliche Leistungen beziehen kann. Das Urteil ist rechtskräftig.

Das Oberlandesgericht bestätigte damit eine vorangegangene Entscheidung des Landgerichts Essen. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hatte gegen eine Familie aus Sprockhövel geklagt. Einer ihrer Söhne hat das genetisch bedingte Down-Syndrom. Er wohnt in einer Wuppertaler Einrichtung für Menschen mit Behinderungen und wird gesetzlich betreut. Laut Landschaftsverband erhält der heute 40-Jährige staatliche Leistungen, die sich von 2002 bis 2014 auf insgesamt rund 106.000 Euro beliefen.

Die Eltern, die insgesamt drei Kinder haben, hatten im Jahr 2000 ein Testament zugunsten des einen behinderten Sohnes verfasst. Darin war dieser als Vorerbe eingesetzt worden, seine Geschwister beziehungsweise alle dann noch lebenden Angehörigen als sogenannte Nacherben. Zudem wurde von den Eltern für den behinderten Sohn eine lebenslange Testamentsvollstreckung angeordnet.

Nach den testamentarischen Anordnungen hat der Testamentsvollstrecker den Erbteil des behinderten Sohnes so zu verwalten, dass dem behinderten Sohn nicht alles auf einmal ausgezahlt wird, sondern nur so viele Mittel zur Finanzierung persönlicher Interessen und Bedürfnisse zur Verfügung gestellt werden, dass ihm andere Zuwendungen und insbesondere staatliche Leistungen nicht verloren gehen. Nach seinem Tod fällt das Erbe an die Geschwister.

Nach dem Tod der Mutter im Jahr 2010 klagte der Landschaftsverband. Er wollte nicht akzeptieren, dass ihm die Erbschaft des behinderten Kindes durch die speziellen Anordnungen in dem Testament vorenthalten wird. Weiter wollte der LWL festgestellt wissen, dass dem Sohn durch den Tod der Mutter ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von über 930.000 Euro zusteht. Der Sozialhilfeträger argumentierte, mit dem Geld könne der Mann selbst für seine Lebensunterhaltskosten aufkommen.

Dem widersprachen die Richter. Mit der Testamentsvollstreckung hätten die Eltern sicherstellen wollen, dass ihrem behinderten Sohn der Erbteil auf Dauer erhalten bleibe. Aus dem Erbteil sollten auch Therapien finanziert werden können, die vom Träger der Sozialhilfe nicht oder nur zum Teil bezahlt werden. Die mit dieser Maßgabe angeordnete Testamentsvollstreckung sei keine sittenwidrige Zielsetzung. Die Eltern hätten diese besondere rechtliche Konstruktion gewählt, weil seinerzeit nicht absehbar gewesen sei, ob die vom Kläger im Rahmen der stationären Eingliederungshilfe bezahlten Kosten auch künftig ausreichen würden, um die Versorgung ihres Sohnes auch nach ihrem Tod sicherzustellen.

Das Oberlandesgericht Hamm erklärter in zweiter Instanz das Testament als wirksam. Dabei beriefen sich die Richter auf ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes von 1993, das ein Behindertentestament für kleine und mittlere Vermögen für zulässig erklärt hatte.

Az: 10 U 13/16


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