sozial-Branche

Obdachlose

Die Wärme kommt mit dem weißen Transporter




Obdachlose suchen nachts einen warmen Platz in der Innenstadt.
epd-bild/Heike Lyding
Jedes Jahr erfrieren Obdachlose auf Deutschlands Straßen. In Frankfurt helfen die Mitarbeiter des Kältebusses den Menschen, die auch bei Minusgraden kein Dach über dem Kopf haben. Oft ziehen sie das Leben auf der Straße vor.

Langsam fährt Johannes Heuser mit dem weißen Lieferwagen die Straße entlang, schaut suchend aus dem Fenster. Die Dunkelheit macht es ihm und seiner Kollegin Elfi Ilgmann-Weiß schwer, doch sie wissen, irgendwo hier muss er sein. Unter einer Fußgängerbrücke erkennen sie eine brennende Kerze. Neben ihr liegt eine Isomatte, ein Schlafsack, ein Mensch. "Da ist er ja", sagt Heuser.

Ärztliche Hilfe bei Bedarf

Er und Ilgmann-Weiß koordinieren für den Frankfurter Verein für soziale Heimstätten die Winterhilfen für Obdachlose. Heute sind sie mit dem Kältebus unterwegs, um ein bisschen Wärme auf die Straßen Frankfurts zu bringen. Sie verteilen Tee, Isomatten und winterfeste Schlafsäcke oder bringen die Menschen direkt in die Übernachtungsstätte Ostpark. Wenn nötig, ziehen sie ärztliche Hilfe hinzu.

Der ältere Mann unter der Brücke hat es sich bequem gemacht - so gut das geht. Musik ertönt aus einem Radio neben ihm, seine Schuhe stehen ordentlich neben der Isomatte. Einen Tee möchte er heute nicht. "Habe ich selber in meiner Kanne." Seit zwei Jahren schläft er nun schon hier. Über ihm vibriert die Brücke, wenn Fahrräder darüber fahren. Neben ihm rattern Züge über die Gleise.

Dem Mann scheint es gutzugehen, und auch einen winterfesten Schlafsack hat er. "Können Sie sich denn vorstellen, bald mal in eine Wohnung zu ziehen?" fragt Heuser. Natürlich, sagt der Mann, gerne. Doch es wird wahrscheinlich dauern, bis das passiert. "Viele wollen draußen sein oder fühlen sich in einer Wohnung eingeengt", erklärt Ilgmann-Weiß. "Wir versuchen oft jahrelang, diese Menschen in eine Wohnung zu bringen. Das ist eine unglaublich lange und zähe Arbeit."

40.000 Obdachlose in Deutschland

Laut einer Schätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe gibt es etwa 335.000 Wohnungslose in Deutschland, davon leben knapp 40.000 auf der Straße. Die Zahl wächst seit 2009, in den vergangenen Jahren immer schneller. "Unsere Prognose sagt, dass es bis 2018 über eine halbe Million Wohnungslose geben wird", sagt Werena Rosenke, stellvertretende Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft. "Jährlich gibt es bundesweit etwa fünf bis sechs Kältetote, manchmal zehn." Seit 1991 seien etwa 290 Obdachlose auf der Straße erfroren. Die Zahl sei aber gesunken: "In den 90er Jahren gab es im Schnitt 20 bis 30 Kältetote jährlich", erklärt Rosenke. Die Kältehilfe der Kommunen habe sich sehr verbessert.

Mit dem Kältebus erreichen die fünf Mitarbeiter jede Nacht etwa 100 Obdachlose. In der Übernachtungsstätte Ostpark schlafen etwa 160 Menschen, rund 90 in der B-Ebene der Hauptwache, einer U-Bahn-Station in der Innenstadt. "Gäbe es die Schlafmöglichkeit in der B-Ebene nicht, würden diese Menschen auf der Straße schlafen", sagt Heuser.

Von Oktober bis März fährt der Bus von 21 bis 5 Uhr morgens durch die Straßen. "Die meisten Wohnungslosen schlafen rund um die Hauptwache", sagt Heuser. Die Mitarbeiter kennen nicht nur die Schlafplätze: "Wir kennen viele Menschen beim Namen. Auf der Straße kennt man sich."

Hinweise aus der Bevölkerung

Der Bus erreicht die Leipziger Straße, in einem Hauseingang liegt ein junger Mann. Während Ilgmann-Weiß ihn mit einem Schlafsack versorgt, wird Heuser von einem Passanten angesprochen. Der Mann berichtet ihm von einem Obdachlosen, den er immer mit Kaffee versorgt. Dem scheine es schlechter zu gehen.

Hinweise aus der Bevölkerung erhalten die Mitarbeiter des Kältebusses öfter, besonders über eine eigens eingerichtete Telefonnummer. "Manchmal sind es zehn Hinweise in der Nacht", sagt Ilgmann-Weiß.

Als sie den älteren Mann erreichen, schläft er, eingewickelt in mehrere Decken. Ilgmann-Weiß nähert sich langsam und weckt ihn sanft. Er reagiert abweisend, möchte in Ruhe gelassen werden. "Die Meisten reagieren positiv, wenn wir kommen", sagt Heuser. Den Mann, der auf der Sitzbank einer Bushaltestelle schläft, werden die Mitarbeiter noch im Auge behalten. Denn die Kälte zehrt an den Kräften der Obdachlosen, auch wenn die Mitarbeiter des Kältebusses versuchen, die Nächte ein wenig erträglicher zu machen.

Lynn Osselmann

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