Ausgabe 48/2017 - 02.12.2016
Köln (epd). Die Arbeitslosenquote Schwerbehinderter ist mit 13,4 Prozent noch immer doppelt so hoch wie die allgemeine Quote von 6,8 Prozent, wie aus dem sogenannten Inklusionsbarometer Arbeit hervorgeht, den die "Aktion Mensch" und das Handelsblatt Research Institute (HRI) am 30. November in Köln vorstellten. Behinderte Erwerbslose suchen zudem gut 100 Tage länger nach einer Stelle als Arbeitslose ohne Handicap.
178.800 Arbeitslose mit Behinderung
Die Zahl der Arbeitslosen mit Behinderung ging in diesem Jahr gegenüber 2015 nur leicht zurück, sie sank um 2.300 auf 178.800 Betroffene. "Die positiven Veränderungen am allgemeinen Arbeitsmarkt wirken sich nicht automatisch auch für Menschen mit Behinderung positiv aus", sagte der Präsident des HRI, der ehemalige "Wirtschaftsweise" Bert Rürup.
Die "Aktion Mensch" macht vor allem bürokratische Hürden und fehlendes Wissen für die hohe Arbeitslosigkeit von Behinderten verantwortlich. So wüssten nur 62 Prozent der Chefs kleiner Unternehmen, dass sie staatliche Förderung bekommen können. Von ihnen nutze wiederum nur die Hälfte die Förderung. "Kleine Unternehmen haben nicht die Zeit, sich auf kompliziertem Wege und über verschiedene Antragsstellen eine Finanzspritze zu holen", sagte Armin von Buttlar, Vorstand der "Aktion Mensch". Die Förderung müsse aus einer Hand kommen und den Firmen schneller zufließen, forderte er.
Als problematisch wertet die "Aktion Mensch", dass in allen sechs untersuchten Regionen Deutschlands Schwerbehinderte im Vergleich zu ihren nicht behinderten Mitbewerbern viel länger nach einer neuen Arbeit suchen. So waren sie in Bayern 120 Tage länger als Nichtbehinderte auf Jobsuche (Vorjahr: 117 Tage), in Baden-Württemberg 118 Tage länger (Vorjahr: 110 Tage) und in Nordrhein-Westfalen 112 Tage länger (Vorjahr: 104 Tage).
Laut Inklusionsbarometer bleiben nach wie vor rund 60 Prozent der Arbeitgeber in Deutschland unter der geforderten Einstellungsquote für Menschen mit Behinderung von fünf Prozent. Diese Regelung gilt für Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten. Wer die Quote nicht erreicht, muss eine gesetzliche Ausgleichsabgabe zahlen. Immerhin liege die Beschäftigtenquote von Menschen mit Behinderung inzwischen bei 4,7 Prozent und nähere sich damit dem gesetztlich vorgeschriebenen Wert von fünf Prozent an, hieß es. Zudem seien inzwischen 80 Prozent der befragten Unternehmen barrierefrei.
Eine merkliche Verbesserung stellte die Untersuchung beim Inklusionsklima fest. Es spiegelt die persönliche Einschätzung von Arbeitgebern und behinderten Beschäftigten wider. Am besten ist die Stimmung in der Mitte Deutschlands, gefolgt vom Norden und dem Süden der Bundesrepublik. Nordrhein-Westfalen belegt Platz vier, das Schlusslicht bilden die östlichen Bundesländer. Bei der Akzeptanz innerhalb des Kollegenkreises landet NRW mit einer Zustimmung von 91 Prozent auf Platz 1 unter allen Regionen, bundesweit beträgt dieser Wert im Durchschnitt 88 Prozent.
Als Chance für den Arbeitsmarkt sehen Arbeitnehmer wie Arbeitgeber die zunehmende Digitalisierung an. "Mit Hilfe von Assistenzsystemen und durch Automatisierung können Menschen mit Behinderung stärker vom Aufschwung am Arbeitsmarkt profitieren", sagte von Buttlar. Vorteile der Digitalisierung werden auch in einer besseren Nutzung von externem Wissen gesehen. Zugleich meinen allerdings 89 Prozent der Arbeitgeber, dass eine stärkere Digitalisierung keinen Einfluss darauf hat, ob ein Unternehmen mehr oder weniger Menschen mit Behinderungen einstellt.
Für das Inklusionsbarometer wurde zum vierten Mal seit 2013 die Situation von Menschen mit Behinderung am ersten Arbeitsmarkt unter die Lupe genommen. Für die Studie wurden 500 mittelständische Unternehmen und rund 800 Beschäftigte mit Behinderung befragt. Dazu flossen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit und der Integrationsämter in die Bewertung ein.