sozial-Recht

Gerichtshof für Menschenrechte

Psychisch kranke Täterin wird vorerst nicht ausgewiesen



Eine psychisch kranke Frau aus Pakistan, die in Deutschland eine Nachbarin getötet hat, muss vorerst nicht mit der Abschiebung in ihr Heimatland rechnen. Die Bundesregierung habe zugesichert, dass ein bestehender Ausweisungsbescheid nicht mehr gelte, damit werde der Fall zu den Akten gelegt, erklärte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am 21. September in Straßburg. Deutschland muss der Frau knapp 6.000 Euro Auslagenerstattung zahlen.

Die Frau war nach Angaben des Gerichtshofs 1991 nach Deutschland gekommen. Im Jahr 2004 tötete sie eine Nachbarin. Ein Gericht in Gießen stellte fest, dass sie bei der Tat unter einer akuten Psychose gelitten habe und schuldunfähig gewesen sei. Sie wurde zwangsweise in einer psychiatrischen Klinik untergebracht, 2011 konnte sie in ein Wohnheim für psychisch Kranke umziehen. In der Zwischenzeit erging 2009 eine Ausweisungsverfügung, gegen die die Frau erfolglos bis zum Bundesverfassungsgericht vorging.

Vor dem daraufhin angerufenen Menschenrechtsgerichtshof berief sich die Frau auf die Europäische Menschenrechtskonvention, insbesondere auf Artikel acht, der die Achtung des Privat- und Familienlebens schützt. Sie machte unter anderem geltend, dass sich durch die Therapien in Deutschland ihre Gesundheit verbessert habe. Ohne derartige Behandlung würde sie sich in Pakistan wieder verschlechtern. Darüber hinaus würde eine Abschiebung ihr enges Verhältnis zu ihrem Sohn in Deutschland zerstören.

Deutschland besteht dem Gericht zufolge unterdessen nicht mehr auf der Ausweisung. Die Bundesregierung sprach gegenüber dem Gericht eine Garantie aus, dass die Frau nicht auf Grundlage des Bescheids von 2009 ausgewiesen werde. Eine Ausweisung ist demnach zwar weiter denkbar. Zuvor würde jedoch der Gesundheitszustand der Frau geprüft, machte Deutschland geltend. Das Straßburger Gericht gab sich damit zufrieden. Es betonte zugleich, dass bei einem neuerlichen Ausweisungsbescheid die Frau erneut den Rechtsweg bis nach Straßburg beschreiten könne.

Az.: 38030/12


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