Ausgabe 38/2016 - 23.09.2016
Erfurt (epd). Viele Baufirmen in Deutschland haben nach einer Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu Unrecht Beiträge in die Sozialkassen des Baugewerbes gezahlt. Die Erfurter Richter entschieden am 21. September, dass die sogenannte Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen des Sozialkassenverfahrens im Baugewerbe der Jahre 2008, 2010 und 2014 unwirksam war.
Der Sozialkassentarifvertrag des Baugewerbes regelt einen Urlaubsausgleich und eine Zusatzversorgung für das Alter. Die Beiträge zahlen allein die Arbeitgeber. Die Zusatzversorgungskasse soll einen Rentenausgleich dafür schaffen, dass Bauarbeiter während der Schlechtwetterperiode häufig entlassen werden. Die Urlaubskasse wurde eingeführt, weil Bauarbeiter häufig ihren Arbeitgeber wechseln. Durch die von den Arbeitgebern erhobenen Umlagebeiträge wird sichergestellt, dass einerseits die Arbeiter trotzdem ihren Urlaub nehmen können, andererseits aber nicht ein einzelner Arbeitgeber mit der Lohnfortzahlung für diese Zeit belastet wird.
Nicht-tarifgebundene Arbeitgeber wollten die Beiträge jedoch nicht zahlen. Daraufhin hatte das Bundesarbeitsministerium die Sozialkassen-Tarifverträge 2008, 2010 und 2014 für allgemeingültig erklärt. Folge davon ist, dass auch nicht-tarifgebundene Arbeitgeber Sozialkassenbeiträge zahlen mussten. Die damaligen gesetzlichen Bestimmungen sahen für eine Allgemeinverbindlicherklärung als Voraussetzung unter anderem vor, dass mindestens 50 Prozent aller im Baugewerbe beschäftigten Arbeitnehmer in einem tarifgebundenen Betrieb arbeiten müssen.
Doch die 50-Prozent-Quote kann nicht als erfüllt angesehen werden, entschied das BAG. Denn es gebe keine genauen Zahlen, wie viele Beschäftigte tatsächlich im Baugewerbe tätig sind. Für die Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages müsse zudem der Bundesarbeitsminister selbst sich damit befasst haben. Dies sei hier zumindest für die Jahre 2008 und 2010 nicht geschehen.
Derzeit sind noch Hunderte Verfahren vor den Gerichten anhängig. Die klagenden und nicht-tarifgebundenen Arbeitgeber müssen nun keine Beiträge nachzahlen. Firmen, die rechtskräftig per Urteil zur Beitragszahlung verdonnert wurden, können laut BAG jedoch keine Wiederaufnahme ihres Verfahrens verlangen.
Am 16. August 2014 wurden die gesetzlichen Bestimmungen geändert, so dass in Zukunft das Ministerium regelmäßig und ohne festgelegte Quote die Allgemeinverbindlicherklärung bestimmen kann.
Az.: 10 ABR 33/15 (Tarifverträge 2008 und 2010)
Az.: 10 ABR 48/15 (Tarifvertrag 2014)