Ausgabe 38/2016 - 23.09.2016
Berlin (epd). Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) hat das geplante Bundesteilhabegesetz für behinderte Menschen als einen möglichen "Quantensprung" bezeichnet. Es gehe darum, weniger zu behindern und mehr zu ermöglichen, sagte sie am 22. September im Bundestag. Mit Blick auf Sorgen von Verbänden und behinderten Menschen betonte Nahles, niemandem solle es mit dem Gesetz schlechter gehen als heute. Für ihr Vorhaben sollen zusätzlich 700 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt werden. Die Opposition und Sozialverbände fordern Verbesserungen an dem Gesetz.
Bei der Eingliederungshilfe handelt es sich um Geld- und Sachleistungen, die es behinderten Menschen ermöglichen sollen, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Mit der Reform soll ihre Selbstbestimmung gestärkt werden. Von der Eingliederungshilfe werden etwa Assistenten bezahlt, die einem Rollstuhlfahrer das Leben in einer eigenen Wohnung ermöglichen, spezielle Fahrdienste oder Ausgaben für einen Blindenhund. Zur Eingliederungshilfe gehören auch Zahlungen, die Werkstätten oder Betreiber von Wohnstätten für Behinderte erhalten. Rund 700.000 Menschen beziehen die Eingliederungshilfe.
Der Gesetzentwurf sieht ab 2017 folgende Änderungen vor:
- Vermögensfreibeträge: Bisher dürfen Bezieher von Eingliederungshilfe nur 2.600 Euro sparen. Der Vermögensfreibetrag wird im ersten Schritt um 25.000 Euro auf 27.500 Euro erhöht, im Jahr 2020 auf 50.000 Euro.
- Einkommensanrechnung: Der Eigenanteil zur Eingliederungshilfe aus eigenen Einkünften wird gesenkt. Damit können rund 70.000 Berufstätige mehr von ihrem Einkommen behalten. Ein Beispiel: Von einem Bruttoeinkommen von 3.500 Euro werden heute bis zu 900 Euro abgezogen, in der Übergangsphase 600 Euro und ab 2020 noch 240 Euro. Einkommen und Ersparnisse von Lebens- und Ehepartnern werden von 2020 an bei der Berechung der Eingliederungshilfe nicht mehr berücksichtigt.
- Arbeit: Anstelle der Leistungen für die Beschäftigung in einer Behinderten-Werkstatt können auch Arbeitgebern Lohnkostenzuschüsse bezahlt werden, wenn sie einen behinderten Menschen einstellen. Das soll den Wechsel in den ersten Arbeitsmarkt fördern.
- Bildung: Bisher werden Hilfeleistungen für behinderte Studenten nur bis zum ersten Examen finanziert, künftig bis zum Masterabschluss und in Einzelfällen auch bis zur Dissertation.
- Beratung: Unabhängige Beratungsstellen werden aufgebaut und vom Bund bis 2022 mit bis zu 58 Millionen Euro jährlich gefördert.
- Kosten: Länder und Kommunen geben pro Jahr rund 17 Milliarden Euro für die Eingliederungshilfe aus, Tendenz steigend. Die Reform führt nach Schätzungen des Bundesarbeitsministeriums zu zusätzlichen jährlichen Ausgaben von rund 700 Millionen Euro im Jahr. Die Mehrausgaben trägt der Bund.