Ausgabe 14/2016 - 08.04.2016
Hamm (epd). Einem Inhaftierten in Untersuchungshaft dürfen nicht unter Zwang Medikamente verabreicht werden. Im nordrhein-westfälischen Gesetz zum Untersuchungshaftvollzug gebe es für eine Zwangsmedikation keine Rechtsgrundlage, erklärte das Oberlandesgericht für Nordrhein-Westfalen in einem am 31. März in Hamm veröffentlichten Urteil. Die medizinische Behandlung eines Untersuchungsgefangenen gegen seinen Willen sei ein besonders schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte, erklärte das Gericht. Nach Urteilen des Bundesverfassungsgerichts könne die Medikation nur auf einer gesetzlichen Grundlage erfolgen, die in NRW aber fehle.
Ein Mann, der wegen Totschlags in Untersuchungshaft sitzt, wurde den Angaben nach in einem vierwöchigen Aufenthalt auf der psychiatrischen Abteilung im Justizvollzugskrankenhaus in Fröndenberg behandelt. Der Krankenhausleiter beantragte eine richterliche Anordnung zur Zwangsmedikation. Der Mann leide unter einer Psychose und sei akut aggressiv, begründete er den Antrag. Nach einer Verabreichung von Psychopharmaka, die zur Bekämpfung von Wahnvorstellungen eingesetzt werden, sei der Untersuchungsgefangene deutlich zugänglicher. Nachdem der Patient anfangs mit der Behandlung einverstanden war, lehnte er sie später ab.
Die Richter erklärten, um eine Zwangsmedikation durchzuführen, müsse das entsprechende Landesgesetz angepasst werden. Die Verabreichung von Medikamenten gegen den Willen können auch nicht mit einer notwendigen Gefahrenabwehr begründet werden. Das Urteil bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Arnsberg und ist rechtskräftig.
Az.: 5 Ws 88/16