Ausgabe 14/2016 - 08.04.2016
Bremen (epd). Im Zusammenhang mit der steigenden Zahl von Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte und rechtsextremistischen Tendenzen in der Gesellschaft fordert die Diakonie eine Stärkung der Polizei. Eine zivil geführte Debatte über Flüchtlinge und ihre Integration könne es nur geben, wenn ein sicherer Rahmen gesteckt und das Gewaltmonopol des Staates gesichert seien, sagte der Politologe Henning Flad am 5. April in Bremen.
Bei einem Fachtag der Diakonie Deutschland zu Rechtspopulismus und Stammtischparolen warnte der Experte, das Schüren von Unsicherheiten etwa nach den Vorfällen in Köln gehöre zu den wichtigsten Argumentationslinien rechtspopulistischer Vordenker.
Deutschland erlebt Flad zufolge derzeit die schlimmste rassistische Gewaltwelle seit Anfang der 1990er Jahre. Bei Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte sei die Aufklärungsquote zudem "unbefriedigend", kritisierte der Leiter des Projektes "Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus" bei der Diakonie. Das hänge einerseits mit einer Überlastung der Polizei zusammen. Andererseits würden die Ermittlungen erschwert, weil die Anschläge in der Regel nicht von einschlägig bekannten Neonazis verübt würden, sondern von unauffälligen Ersttätern.
Die neue rechte Bewegung, zu der Flad auch Vertreter der AfD und der sogenannten "Identitären Bewegung" zählt, sei erfolgreich, weil sie an Mehrheitsmeinungen in der Bevölkerung anknüpfe. Dazu gehört nach einer Allensbach-Umfrage beispielsweise die Überzeugung einer Mehrheit der Bevölkerung, dass die Politik mit der großen Zahl der Flüchtlinge im vergangenen Jahr die Kontrolle darüber verloren hat, wer nach Deutschland kommt. "Sie sind stark, weil sie gerade nicht Neonazis sind und intelligenter argumentieren als das Neonazi-Geblöke", betonte Flad.
Die neuen Rechten profitierten von weit verbreiteten rassistischen Ressentiments gegen Flüchtlinge, die sie als Invasoren bezeichneten. Doch falsch sei es, darauf mit einer Rhetorik zu reagieren, die Rechtspopulisten als "Pack" und "Rattenfänger" bezeichne: "Das ist ein Zeichen von Schwäche und Panik-Stimmung."
Auf die Frage, ob gerade Kirchenmitglieder menschenfeindlich eingestellt sind, gibt es nach Angaben der Soziologin Hilke Rebenstorf keine einfache Antwort. Religion könne Vorurteile befördern, sie könne aber auch davor schützen, sagte die Expertin des Sozialwissenschaftlichen Institutes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Umfragen zeigten, dass die Konfessionszugehörigkeit wohl eine Rolle bei der Haltung zur Homosexualität spiele, nicht aber in der Einstellung gegenüber Ausländern. Im Sommer sollen die Ergebnisse einer vertiefenden Studie zum Thema präsentiert werden.