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Gesundheit

Rollende Arztpraxis hilft Flüchtlingen




Die Notärztin Lisa Federle im mobilen Fahrdienst für Flüchtlinge.
epd-bild/DRK Tübingen
Der Arzt kommt ins Flüchtlingsheim: Mit diesem Fahrdienst übernimmt das Tübinger Rote Kreuz eine Vorreiterrolle. Angekurbelt hat das Projekt die regionale Präsidentin des DRK, Lisa Federle. Die Notärztin weiß aus Erfahrung, dass den Asylbewerbern besser geholfen werden muss.

Das Rote Kreuz in Tübingen hat mit seinem Fahrdienst in Flüchtlingsheime buchstäblich etwas ins Rollen gebracht. "Wir waren die Ersten, die den mobilen Fahrdienst gemacht haben", sagt Lisa Federle, Ärztin und Präsidentin des DRK-Kreisverbandes. Mitte Dezember startete das Angebot. Mit ausgelöst haben den medizinischen Fahrdienst auf Rädern negative Erlebnisse, die Federle als Notärztin machen musste.

Notdienst im Dauereinsatz

Permanent sei aus den Flüchtlingsunterkünften der Notdienst angerufen worden. "Das hat ein großes Potenzial verschlungen. Außerdem war den Hilfesuchenden unklar, dass nicht ein Hausarzt kommt, der sich um alles kümmert, sondern eine Überweisung ins Krankenhaus folgte. Solche Überweisungen sind viel teuer als ein Einsatz des mobilen Fahrdienstes."

Für die Medizinerin, die eine eigene Praxis hat, sprechen noch andere Kostengründe für das Projekt. "Ärzte müssten einen großen Aufwand betreiben, um Flüchtlinge betreuen zu können. Beispielsweise, indem sie Dolmetscher zur Verfügung stellen." Im Blick hatte Federle zudem ganz pragmatische Aspekte, etwa dass Flüchtlinge keine Ortskenntnisse besitzen und sich nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurechtfinden.

"Der mobile Fahrdienst war mein erstes Spendenprojekt", sagt Federle. Ohne zu wissen, ob genügend Geld zusammenkommen wird, bestellte sie ein Campingmobil. Das gestaltete eine Ulmer Firma zum Selbstkostenpreis innerhalb von vier Wochen zur fahrenden Arztpraxis um. Auch Blutdruckmessgeräte, EKG, Babywaage und Liege sind darin enthalten.

Hohe Spendenbereitschaft

Die Spendenbereitschaft war höher als erwartet. Knapp das Dreifache des benötigten Betrags kam zusammen. Schauspieler Til Schweiger, das Modeunternehmen Marc Cain sowie Gore Verbinski, Regisseur des Films "Fluch der Karibik", konnte Federle für ihre Idee begeistern. Die Medikamente stammen von der Tübinger Universitätsklinik. "So muss ich keine Rezepte schreiben, und die Großpackungen sparen nochmals Kosten", sagt Federle. Für Medikamente, Wagen und Personalkosten kommt das Landratsamt auf.

Um die 50 Personen, vor allem Ärzte und Krankenschwestern, sind beim mobilen Fahrdienst im Einsatz. Dazu kommen Dolmetscher, etwa ein syrischer Medizinstudent im achten Semester. Ständig zur Verfügung stehen die Übersetzer nicht. "Dann heißt es, sich mit Händen und Füßen verständlich zu machen", erzählt Federle. Was für sie kein Problem ist, denn "als Notärztin bin ich oft in der gleichen Lage, weil ich da auch nicht mit Patienten sprechen kann". Grippe oder Halsschmerzen gehören zu den Behandlungen, die bei Flüchtlingen häufig anstehen. Krätze und Läuse kommen dazu.

Rund 25 Unterbringungsorte steuert das Mobil in Tübingen und Umgebung an. Schlangen von 20 bis 30 Personen bilden sich vor dem Wagen. Und die Medizinerin macht neue Erfahrungen: "Manche möchten, dass ich gleich die ganze Großpackung an Tabletten verteile. Das zeigt ihre Befürchtung, vielleicht irgendwann unterversorgt zu sein."

Körper mit Narben übersät

Ganz vorsichtig geht Federle mit stark traumatisierten Menschen um. "Ich habe Jesidinnen erlebt, deren ganzer Körper mit Narben übersät war. Diese Frauen haben Angst, sich berühren zu lassen." Nicht ganz einfach sei zudem das kulturell anders geprägte Zeitverständnis. "Ist 15 Uhr als Termin ausgemacht, dann ist mancher erstaunt, wenn er um 15.30 Uhr keinen Arzt mehr vorfindet."

Von Montag bis Freitag ist der mobile Fahrdienst im Einsatz. "Viele Leute bedanken sich", erzählt Federle. Zur Verfügung steht das Fahrzeug auch für weitere Orte. "Man kann den Wagen ausleihen", sagt die DRK-Chefin. Und sollte in ferner Zukunft kein Bedarf mehr für den mobilen Flüchtlingsdienst bestehen, "könnte das Fahrzeug genutzt werden, um dem Landarztmangel zu begegnen."

Birgit Vey

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